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Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi

Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi

Titel: Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
Autoren: emons Verlag
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die verbleibenden vier Tage –
den heutigen konnte man ja kaum noch dazuzählen – noch alles an Genuss und
Vergnügen packen konnte, das andere auf dreißig Jahre verteilen mussten? Danke.
    Genuss? Vergnügen?
Mein Magen krampfte sich zusammen, mir wurde übel. Meine Lungen fühlten sich
an, als hätten sie plötzlich Löcher und ließen sich kaum noch mit Luft füllen.
In meinem Kopf pochte es wie ein Zeitzünder. In so einem Zustand würde ich die
kommenden Tage wohl kaum genießen können.
    Irgendjemand
kümmerte sich um die Ehefrau, und die übrigen Hotelgäste hatten ein Thema für
ihr Tischgespräch und strebten zum Speisesaal. Ein Gast, mit dem man heute
Morgen vielleicht noch das eine oder andere Wort gewechselt hatte, war einfach
umgefallen und tot liegen geblieben. Wie aufregend. Manch einem fiel vielleicht
ein, dass der alte Herr am Frühstücksbuffet doch etwas zittrig gewirkt hatte
oder dass er in seinem Alter auch keine Radtouren mehr hätte unternehmen
dürfen. Ich wusste es besser. Der Mann hatte gesund und munter gewirkt. Das
Radfahren hatte ihm nicht geschadet, und Herumsitzen im Lehnstuhl hätte ihn
nicht gerettet. Dieser Samstag war sein vorgesehener Todestag, und damit basta.
In vier Tagen und einer Nacht war meiner. Vielleicht Mittwochnachmittag,
spätestens Mittwochabend würde ich Geschichte sein.
    Angesichts der
wenigen Zeit, die mir noch blieb, wollte ich natürlich so schnell wie möglich
nach Hause. Noch knapp fünf Nächte in meinem eigenen Bett verbringen. Ich würde
mir noch einige Male die Zähne putzen, mir aber nie wieder im Leben die
Fußnägel schneiden. Das hatte ich erst vor zwei Tagen gemacht. Ein skurriler
Gedanke. Mein Vorrat an Kaffee würde wahrscheinlich gerade so reichen, und Öl
für den Winter brauchte ich auch nicht zu bestellen.
    Und so setzte ich
mich dann trotz einer ansehnlichen Menge an Alkohol im Blut hinter das Steuer
meines Audis und fuhr nach Hause. Ich fahre sonst nie Auto, wenn ich Alkohol
getrunken habe, und ich bin nicht stolz darauf, es dieses Mal getan zu haben.
Die Begründung für das Vergehen hätte mir die Polizei zwar nicht geglaubt, aber
meine Entscheidung war wohl nur allzu verständlich.

ZWEI
    Das war gestern
gewesen. Nach einer Nacht, in der Schlaf nur in Form düsterer Träume gekommen
war, saß ich in meiner Küche, einen starken Kaffee in der rechten Hand, vor mir
einen Teller mit French Toast. Das aß ich sonst nie. Ich liebte dieses süße
Gericht, aber mein gut entwickeltes männliches Ego befand, dass es kein
geeignetes Frühstück für einen dynamischen Mann war. Alles auf dem Teller
schien aus der Form geraten. Der Toast in seinem Eimantel schwamm als
schlabbriger Klumpen in einer braunen, klebrigen Soße, dem Ahornsirup. Da
wirkten ein Mettbrötchen mit Zwiebeln oder ein kantiges Käsebrot doch kerniger.
Egal. Ich aß jetzt, worauf ich Appetit hatte, und befand mich in der
unbestritten glücklichen Lage, mehrmals die berühmte Henkersmahlzeit genießen
zu können.
    Hier saß ich also
und überlegte, wie ich die nächsten vier Tage so richtig sinnvoll nutzen
könnte. Die erste Stunde war schon um. Es gab doch so viele Dinge, die man sich
immer versagte, warum fielen sie mir nicht ein? Ich musste es anders angehen.
Der moderne berufstätige Mensch ist gar nicht mehr in der Lage, ins Blaue
hineinzuleben und sich nur seinen Bedürfnissen und Wünschen zu widmen. Ich
würde mir eine Liste der Dinge machen, die ich unbedingt noch erledigen wollte,
und später einfach alles Unangenehme streichen.
    Es gab einige
Menschen, von denen ich mich gern verabschieden wollte, insgeheim natürlich,
ohne dass diese Personen erfuhren, worum es bei dem Treffen ging. Meine Mutter
wollte ich sehen, sie umarmen, ihr einige besonders nette Dinge sagen. Ich schrieb
diesen Besuch ganz oben auf die Liste. Ein feuchter Fleck neben der Stelle, an
die ich das Ausrufezeichen gemalt hatte, machte mich wütend. Sentimentalität
würde mir diese letzten Tage nur verderben. Entschlossen wischte ich die
nächste Träne weg und schrieb unter den Punkt »Mutter besuchen« »Sex haben«.
Hatte ich vor wenigen Tagen noch dem heiligen Valentin dafür gedankt, dass ich
momentan ohne Partnerin war, stellte mich dieser Zustand angesichts meiner
knappen verbleibenden Zeit nun vor eine heikle Frage. Wer sollte die
Auserwählte sein? Ich war bestimmt kein Moralapostel, aber eine gewisse
emotionale Nähe sollte schon vorhanden sein. Ich könnte eine Exfreundin
anrufen. »Hallo,
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