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Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber
Autoren: Petra Würth
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im Schuppen flackerte grellweiß auf. Nicolás stand in der Tür und schaute sich prüfend um. Das war der entscheidende Moment. Pia und ich saßen ungefähr da, wo er uns abgeladen hatte. Würde ihm auffallen, dass wir uns bewegt hatten? Dass auf der Werkbank etwas fehlte? Ich ließ den Kopf hängen und atmete keuchend. Von mir hatte er nichts zu befürchten.
    Seine Beine tauchten in meinem Blickfeld auf. Er stolzierte um uns herum wie ein Großwildjäger, der seine Trophäen begutachtet. Auf Pias Seite blieb er stehen. »Hola, Pia!«
    Sie zuckte zurück.
    »Why so shy?«
    »Nimm deine beschissenen Finger weg!«
    Er lachte. »It is a pity, that the gas didn’t blow you off.«
    »Du mich auch!«
    Die Gummisohlen seiner Sportschuhe knirschten auf dem dreckigen Betonboden. Ich schloss die Augen bis auf winzige Schlitze und stöhnte.
    »Bloody bastard!« Er beugte sich über mich, griff mit der linken Hand in meine Haare und riss meinen Kopf hoch. Zwang mich, ihn anzusehen, ihn und das Messer, das er mir vor die Nase hielt.
    Hinter meinem Rücken schob mir Pia die Feile zu.
    »We make a trip. Are you ready?«
    Meine rechte Hand schnellte hoch, rammte ihm das Werkzeug in den Bauch, so tief, wie es eben nur ging. Er guckte erstaunt. Das Messer vollführte einen kleinen Schlenker und ritzte die Haut unter meinem Auge auf. Aber das war’s dann auch. Ich stieß ihn zurück. Er taumelte und fiel auf seinen Hintern. Mit beiden Händen die Feile umklammernd, glotzte er mich wütend an.
    »Ich habe auch einen Spruch«, sagte ich. »Wie wär’s mit: Good night and good luck! «
    Pia half mir hoch. Die gebrochene Rippe stach in irgendwas, was ihr in die Quere kam. Auf Pias Arm gestützt, humpelte ich zur Tür. Dabei bewegten wir uns in weitem Abstand um Nicolás herum. Auch wenn es schien, als ginge keine Gefahr mehr von ihm aus, gab es keinen Grund, das Schicksal zu provozieren.
    Als wir ins Freie traten, wurde mir schlecht. Wegen der Anspannung, der Anstrengung oder der Schmerzen. Oder wegen allem zusammen.
    »Einen Augenblick Pause«, bat ich.
    Während sich mein Magen langsam beruhigte, beschlossen wir, uns zuerst um Frau Reichweiler zu kümmern. Ohne ihre Hilfe würden wir Anna und Cornfeld nicht finden.
    Im Wochenendhaus riefen wir laut den Namen der Hausherrin. Die Antwort kam aus einer Abstellkammer unterhalb der Treppe. Nicolás hatte die Frau dort eingeschlossen.
    Mit kalkweißem Gesicht taumelte uns Frau Reichweiler entgegen. »Wo ist Nicolás? Was ist passiert?«
    »Nicolás ist verletzt«, sagte ich. »Er muss sofort ins Krankenhaus.«
    »Oh, mein Gott!« Ihre Augen weiteten sich vor Schreck.
    »Helfen Sie uns«, bat Pia. »Wohin hat Nicolás Anna und Cornfeld gebracht? Die beiden waren doch hier, nicht wahr?«
    »Ich … Ja, sie waren da. Die Frau hat sich nach Nicolás erkundigt. Ich habe sie weggeschickt. Nicolás ist hinter ihnen her. Ich wollte nicht, dass er ihnen etwas tut. Aber er ist manchmal so unbeherrscht.«
    »Wo?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Die Vögel?«, fragte ich. »Wo haben Sie diese verdammten Papageien versteckt?«
    »Da unten!« Sie zeigte zur Schlei. »Im Bootshaus.«
    Pia lief voraus, ich stolperte hinterher. Sie war schon im Bootshaus, als ich den Steg erreichte, der zu der auf Pfählen über dem Wasser schwebenden Holzbaracke führte. Licht flackerte auf und ich wartete auf einen Ausruf der Erleichterung oder einen Schrei des Entsetzens. Doch Pia blieb stumm. Das Bootshaus war leer. Leer bis auf eine große Voliere mit den Keas, die wir zuletzt im Zauberclub gesehen hatten.
    Pia sah sich grimmig um. »Das gibt es doch nicht. Die müssen doch irgendwo sein.«
    »Wir sollten die Polizei rufen. Ohne Unterstützung kommen …«
    Zwei kleine rotbraune Flecken auf dem Boden weckten mein Interesse. Sie befanden sich gleich neben dem aufklappbaren Teil des Untergrunds. Als das Bootshaus noch seinem ursprünglichen Zweck diente, hatte man hier Ruderboote zu Wasser gelassen.
    Begleitet vom Gekreisch der Vögel, denen es gar nicht gefiel, dass wir die Klappe an zwei Metallringen hochzogen und gegen ihre Voliere knallen ließen, legten wir die Öffnung frei. Anna und Cornfeld standen in einem Fischkäfig. Ihre Arme waren anscheinend auf dem Rücken gefesselt und auf ihren Mündern klebten braune Plastikstreifen. Während Cornfeld das Wasser bis zu den Schultern reichte, musste Anna den Kopf nach oben recken, um Mund und Nase über der Wasseroberfläche zu halten. Unter diesen Umständen waren die
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