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Todestanz

Todestanz

Titel: Todestanz
Autoren: Margie Orford
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hier nicht auf einer Beerdigung.«
    Die Kleine lächelte gehorsam. Die schlanken Glieder hielten die Position korrekt; das erkannte sie am wohlwollenden Stirnrunzeln ihrer Lehrerin. Madame Merle ging weiter.
    Â»Die Hände immer elegant, Mädchen. Erste Position und Musik, Mister Henry. Und lächeln. Und lächeln. Und knicksen.«

    Mit einem Händeklatschen entließ sie den Kurs und ließ sich vom Pianisten zu einer Zigarette einladen. Mister Henry zündete sie für sie an.
    Â»Was ist denn, Yasmin?« Madame Merle hatte das abseitsstehende Kind bemerkt.
    Â»Ist es nicht zu früh, Madame?«
    Madame Merle blies einen runden, makellosen Rauchring über den Kopf des Kindes hinweg. »Schätzchen, heute Abend ist doch die Aufführung.«
    Â» Persephone. Das Ballett über das verschwundene Mädchen«, erklärte Mister Henry. »Im Artscape.«
    Â»Ach so.« Yasmin wollte trotzdem nicht gehen.
    Â»Lauf schon.« Madame Merle wandte sich ab. Der Kurs war zu Ende. Der Scheinwerferstrahl ihrer Aufmerksamkeit war erloschen.
    Während Yasmin sich durch die Sechsjährigen schlängelte, die zu den draußen wartenden Autos rannten, spürte sie Mister Henrys Blick im Rücken. Seit ihre ältere Freundin Calvaleen aufgehört hatte zu tanzen, war Yasmins Haarknoten der einzige dunkle unter lauter blonden.
    Die Tür zum Umkleideraum sprang auf, und die älteren Mädchen drängten heraus, eine schnatternde Wolke aus Tüll. Yasmin drückte sich an die Wand und ging dann an ihren Spind. Sie hatte eine richtige Ballett-Wickeljacke, die ihr Amma als vorzeitiges Geburtstagsgeschenk gestrickt hatte. Sie band die Schleife. Als sie an ihren Geburtstag dachte, bekam sie Magendrücken. An ihrem Geburtstag hatte das ganze Unglück angefangen. Letztes Jahr, als sie sechs geworden war. Dreimal musste sie noch schlafen, dann wurde sie sieben. Hoffentlich würde es dieses Jahr besser werden.
    Yasmin wühlte in ihrer Tasche nach den takkies . Ihre Mutter schimpfte jedes Mal, wenn sie in ihren Satinpumps aus dem Haus ging. Schließlich hatte sie die alten Tennisschuhe
gefunden und bekam dabei auch ein grünes Papier zu fassen. Sie faltete es auf, und plötzlich begann ihr Herz schneller zu schlagen. »Volle Panik.« So sagte Amma immer zu Daddy. Und genau das fühlte sie jetzt. Volle Panik. Sie begriff, dass sie schon wieder etwas vergessen hatte. Als Madame Merle die Zettel ausgeteilt hatte, hatte sie extra betont, dass alle sie unterschrieben wieder abgeben mussten.
    Â»Damit ich absolut sicher sein kann, dass eure Mummys und Daddys euch früher abholen kommen, ihr Lieben«, hatte Madame Merle mit ihrer vornehmen Stimme gesagt.
    Das war noch etwas, für das ihre Mutter sie moer schimpfen würde. Jetzt waren es schon zwei Sachen! Sie hatte vergessen, ihrer Mom den Zettel zu geben. Und jetzt sollten sie schon früher abgeholt werden. Yasmin merkte, wie sie vor Scham rot anlief. Sie wollte doch immer alles richtig machen, damit ihre Mutter glücklich war, damit sie wieder so lächelte wie früher. Aber alles, was sie tat, schien ihre Mutter nur noch wütender zu machen. Und am schlimmsten war es, seit ihr Daddy sie übers Wochenende bei sich behalten hatte und Tante Ndlovu zu ihnen nach Hause gekommen war und Papiere von der Polizei mitgebracht hatte, in denen stand, dass ihr Vater genauso böse war wie die Gangster, die er fangen sollte.
    Yasmin strich den Zettel glatt, den Madame Merle ausgeteilt hatte. Die Mitteilungen wurden nur dann mit der Post geschickt, wenn jemand eine Stunde verpasst hatte. »Das spart Geld!«, sagte Madame Merle. »Glaubt ihr denn, jemand kann vom Ballettunterrichten leben?«
    Ihre Mutter wusste natürlich nicht, dass der Unterricht heute früher zu Ende war, weil am Abend Persephone aufgeführt werden sollte. Calvaleen sollte die Hauptrolle spielen, Persephone. Aber die hatte ihre Mitteilung bestimmt mit der Post bekommen, weil sie schon lange aufgehört hatte, in den
Kurs für die älteren Mädchen zu gehen. Yasmin vermisste sie. Sie knüllte das Papier zusammen. Sie wollte nicht an die Mädchen denken, die verschwunden waren. Sie wollte nicht daran denken, dass ihre Mutter arbeiten musste und sie anbrüllen würde, wenn sie jetzt anrief. Niemand würde sie abholen kommen.
    Sie würde wieder Ärger bekommen. Das wusste sie jetzt schon.
    Drinnen konnte sie Madame
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