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Todesspur

Todesspur

Titel: Todesspur
Autoren: Susanne Mischke
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bis zu seinem Ziel. Ein langweiliger, grauer Wohnblock, ähnlich dem in der List, in dem er seine graue, langweilige Kindheit verbracht hat. Da haben wir es ja schon: Riepke steht auf einem der mittleren Klingelschilder, und wenn das Ganze einer Logik folgt, dann müsste die Wohnung im zweiten Stock liegen. Er drückt auf die oberste Klingel, und als wenig später die Gegensprechanlage knackt, ruft er »Werbesendung« und huscht mit dem Türsummer ins Haus. Im Hausflur hockt ein beklemmender Mief aus alten Menschen, angebratenen Zwiebeln und einem zu scharfen Putzmittel. Auf einem der acht Briefkästen steht N. Riepke und darunter Bukowski . Stella Bukowski also.
    Leise geht er die ausgetretenen Treppenstufen hinauf, wobei ihm der Gedanke kommt, dass es wohl zu den Tücken des Kommunikationszeitalters gehört, dass seine Zukunft und die seiner Familie davon abhängt, von wo aus diese Schlampe ihn angerufen hat. Er muss diese Information haben, er wird sie aus ihr herausprügeln – bevor er sie tötet.
     
    Die Spurensicherer haben ihre Aktivitäten rund um das japanische Gartenhaus konzentriert. Auch ihr Chef, Rolf Fiedler, ist inzwischen eingetroffen. Die Tatwaffe ist verschwunden, das neue Beil liegt glänzend und unberührt auf dem Hackstock, so wie Luis es Oda geschildert hat. Vor der weiß lackierten Bank ist frischer Rindenmulch aufgebracht worden, den die Männer nun vorsichtig abtragen. Hinter der Küchentür, die zur Terrasse führt, kläfft Emmi, der braune Retriever.
    Als gäbe es einen unsichtbaren Zaun, stehen Herr und Frau Döhring zwischen den Heckenrosen und Buchsbäumchen an ihrer Grundstücksgrenze und beobachten mit leeren Gesichtern das Geschehen. Im Erdgeschoss bewegt sich eine Gardine. Völxen hat die Döhrings wohl oder übel über die Entwicklung des Falles aufklären müssen, wobei er von einem »Verdacht« sprach, denn im Augenblick gibt es ja weder ein offizielles Geständnis noch einen Beweis.
    Was für eine Katastrophe, die da über das Leben dieser Leute hereingebrochen ist. Nicht nur, dass ihr Sohn nicht mehr lebt, auch eine Freundschaft und gute Nachbarschaft ist für alle Zeiten dahin. Werden die Döhrings jemals wieder aus dem Fenster in den Nachbargarten schauen können, ohne an das schreckliche Geschehen erinnert zu werden? Ich an deren Stelle würde wegziehen, überlegt Völxen. Ich würde das nicht täglich ertragen, selbst dann, wenn die Tiefenbachs nicht mehr da sein sollten. Eine Frage beschäftigt den Kommissar noch, seit ihm Oda von ihrer Unterhaltung mit Luis erzählt hat. Hatten Olafs Eltern wirklich keine Ahnung von dem, was da jahrelang vor sich gegangen war? Haben sie den wahren Charakter ihres Sohnes wirklich nicht gekannt, oder wollten sie manche Dinge einfach nicht wahrhaben? Kann es sein, dass man blind ist, wenn es um den eigenen Nachwuchs geht? Wanda zum Beispiel. Fragte man ihn nach seiner Tochter, würde er sie als fröhlichen, gutherzigen, klugen und impulsiven Menschen beschreiben. Rotzfrech und respektlos natürlich auch, und manchmal einen Tick zu raffiniert und listig, wenn es um den eigenen Vorteil geht oder darum, etwas zu erreichen, was sie sich in ihren sturen Kopf gesetzt hat. Aber vielleicht stimmt das alles gar nicht? Wie heißt es bei Georg Büchner im Woyzek : »Jeder Mensch ist ein Abgrund , es schwindelt einem, wenn man hinabsieht . « Wie gut kennt man die Menschen, mit denen man zusammenlebt? Was, wenn er plötzlich erfahren würde, dass Wanda eine jüngere Mitschülerin jahrelang drangsaliert hat? Oder selbst gequält wurde? Nein, das ist völlig undenkbar, das eine so gut wie das andere, dafür gab es bei Wanda nie auch nur die geringsten Anzeichen. Und die gab es bei Olaf sehr wohl, andere haben sie ja auch gesehen: der Trainer, die Großmutter – und Ruben. Warum haben die Döhrings ihrem Adoptivsohn einfach nicht geglaubt? Dieser Olaf war zweifellos sadistisch veranlagt, und offenbar war er auch intelligent genug, sein Umfeld über seinen wahren Charakter hinwegzutäuschen, jahrelang. Schon oft hat Völxen nach Gewaltdelikten von Nachbarn und Freunden des Täters Sätze gehört wie: »Das hätten wir dem niemals zugetraut, der doch nicht, der war doch immer so nett  … « Kann man mit diesem Wissen überhaupt noch irgendeinem Menschen auf der Welt trauen?, fragt sich Völxen. Als Kriminalist jedenfalls nicht, so viel ist sicher.
    Seine Gedanken schweifen ab, zu Pedra Rodriguez. Völxen ist nicht besonders religiös, in der Kirche war
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