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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Glück hatte Dóra noch mehr gute Neuigkeiten.
    »Anscheinend schneiden Sie auch bei der Beurteilung des Jugendamts hervorragend ab. Mir wurde inoffiziell mitgeteilt, dass Sie ein großzügiges Umgangsrecht für Sigga Dögg bekommen. Die zukünftigen Stiefeltern werden vollstes Verständnis für diese Tragödie aufbringen. Sie können also weiterhin als Großeltern für die Kleine da sein. Daran wird sich nichts ändern.«
    »Nichts ändern …« Sigríður schüttelte sich und zog die Strickjacke noch fester um sich. »Alles ändert sich.«
    Dóra richtete sich auf ihrem Stuhl auf und schwieg. Die Frau hatte vollkommen recht, natürlich änderte sich alles. Ihr Mann räusperte sich und drehte seinen Kopf zum Fenster.
    »Was ist mit den Mädchen geschehen? Sie haben es vermieden, über sie zu sprechen, aber ich muss es wissen. Ich will es nicht hören, aber ich muss es wissen.«
    Dóra betrachtete die Tischplatte.
    »Das ist unklar. Snævar bestreitet vehement, ihnen etwas angetan zu haben, und behauptet, sie seien einfach verschwunden. Er hätte sie vergeblich gesucht. Zurzeit weiß niemand, ob er lügt, aber die Yacht ist im Kreis gefahren, als würde im Wasser jemand gesucht, und das passt zu seiner Aussage.«
    »Und was sagt Karítas? Hat er ihr nichts davon erzählt? Wie von den anderen Morden?«, fragte Margeir. Er schaute immer noch konzentriert aus dem Fenster. Die Straße war menschenleer, und es waren keine Autos unterwegs. Als hätten die Nachbarn aus Rücksicht ihr Leben angehalten.
    »Karítas sagt dasselbe. Snævar hätte erzählt, die Mädchen seien einfach verschwunden.«
    »Glauben Sie das?«
    »Nein, das tue ich nicht, aber mich fragt niemand.«
    »Gott wird fragen.« Sigríður tastete unter ihre Jacke, und als ihre Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie ein kleines silbernes Kreuz in der Hand. »Und dann kann keiner mehr lügen.«
    Dóra verabschiedete sich bald darauf und versprach, Ende der Woche anzurufen, oder früher, falls sich etwas Neues ergab. Auf dem Weg nach draußen ging sie an der Tür zum Wohnzimmer vorbei, wo Sigga Dögg einen Zeichentrickfilm anschaute. Tom und Jerry machten eine wilde Verfolgungsjagd auf einem Schiff, das hin- und herschaukelte und es der Katze schwerer machte als der Maus. Die Folge war fast zu Ende, und während Dóra den Hinterkopf der Kleinen auf dem Fußboden vor dem kleinen Röhrenfernseher betrachtete, fielen sowohl Tom als auch Jerry von Bord. Sie tauchten unter, die offenen Mäuler voll Wasser, und rangelten immer noch. Kurz darauf trugen sie weiße Gewänder, hatten Flügel und Heiligenscheine und stiegen von der Wasseroberfläche zum Himmel auf. Die Maus breit grinsend und die Katze stinksauer. Vielleicht war das die Erklärung für die Aussage der Kleinen über ihre Schwestern und ihre Eltern. Sigga Dögg wusste, dass sie mit einem Schiff gefahren waren, und als sie nicht zurück nach Hause kamen, hatte sie gedacht, es sei ihnen so ergangen wie Tom und Jerry.
    »Das war die Lieblingsserie der Zwillinge. Wir haben sie auf CD, und ich fürchte, sie gibt langsam ihren Geist auf«, sagte Sigríður und lächelte dumpf. »Aber meine armen kleinen Mädchen werden sie wohl nicht mehr vermissen.«
    Sigga Dögg schaute auf, als sie die Stimme ihrer Oma hörte. Sie blickte die beiden Frauen seelenruhig an und drehte sich dann wieder zum Fernseher. Der nächste Film begann, das Leben ging weiter, auch wenn nicht mehr alle dabei waren.

    Auf dem Weg nach Hause musste Dóra ununterbrochen an die zerstörte Familie und das Schicksal der beiden Mädchen denken, das womöglich nie aufgeklärt würde. Obwohl sie nicht gläubig war, sandte sie ein Gebet an die höheren Mächte und dankte für ihr Glück und das ihrer Familie. Gylfis zukünftiges Abenteuer in Norwegen machte ihr zwar zu schaffen und beunruhigte sie, erinnerte sie aber auch daran, dass nichts im Leben selbstverständlich war. Die Zukunft ließ sich nie voraussehen. Dóra wendete den Wagen und fuhr doch nicht ins Büro, wo Bella vor ihrem Computer mit der schnellen Internetverbindung klebte, sondern machte sich stattdessen auf den Weg zu Orris Kindergarten. Sie würde ihn früh abholen und mit ihm gemeinsam den Tag genießen. Die Sonne brach durch die Wolken, und im Wagen wurde es hell.

32. Kapitel
    »Er kommt nicht.«
    Bylgja hatte längst aufgehört zu weinen. Ihre Wangen waren trocken, weil sich die kühlen, weichen Rocksäume der dichtgedrängten Kleider im Schrank an ihr Gesicht geschmiegt und
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