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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT
Autoren: Brian Lumley
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erwachen. Schwer atmend und zitternd stand er auf und ließ seinen Blick mit butterweichen Knien, den Rücken gegen die Wand gelehnt, um nicht umzufallen, über die silbergrauen Wände schweifen. Sein Traum hatte so real gewirkt und ihn so sehr mitgenommen, dass sein erster Gedanke darin bestanden hatte, den Alarmknopf zu drücken und die Männer, die ständig in dem Gang vor der Tür postiert waren, herbeizurufen. Noch jetzt verlangte es ihm danach. Doch (diese Erfahrung hatte er beim letzten Mal leider machen müssen) in der klaustrophobischen, nervenaufreibenden Enge des Perchorsk-Projekts war auch dies nicht ganz ungefährlich. Er verspürte wenig Lust, jemanden mit der rauchenden, rot glühenden Düse eines Flammenwerfers im Anschlag hier hereinstürzen zu sehen.
    Als sein Herzschlag sich ein wenig beruhigt hatte und er sich hastig anzog, ließ er seinen unheimlichen, unheilschwangeren Albtraum noch einmal Revue passieren: Er hatte einen furchtbaren, gequälten Schrei aus dem Tor im Zentrum des Projekts vernommen, und sofort gewusst, wer ihn ausgestoßen hatte – Harry Keogh! Der Necroscope hatte seine Qualen jedem, der ihn hören konnte, telepathisch entgegengeschrien, vor allem aber den zahllosen Toten in ihren über die ganze Welt verteilten, unzähligen Ruhestätten. Und die Toten wiederum hatten ihm geantwortet, so gut sie konnten – mit einem allgemeinen Seufzen und Stöhnen, das aus den Gräbern erscholl, die sie umschlossen. Schwach und kaum merklich hatten sie sich gar in Bewegung gesetzt. Denn sie wussten, wie sehr sie dem Necroscopen Unrecht getan hatten, als sie ihn erst abgewiesen und schließlich im Stich gelassen hatten, und es war, als seien sie voller Trauer darüber und machten sich auf ein zweites Golgatha gefasst.
    Im Traum war dem Leiter des Projekts der Geist des verstorbenen Paul Savinkov erschienen – eines Mannes, der hier in Perchorsk für den KGB-Major Dschingis Khuv gearbeitet und ein grauenhaftes Ende gefunden hatte. Er sprach zu ihm und berichtete ihm von der Warnung, die Harry Keoghs Sohn durch das Tor gesandt hatte. Denn zu Lebzeiten war Savinkov ein Telepath gewesen, und sein Talent war ihm auch nach dem Tod noch erhalten geblieben.
    Als Savinkov aus Luchovs Gedanken von der nuklearen Antwort auf die Bedrohung von der anderen Seite des Tores erfuhr, hatte er ihm gesagt: Dann wissen Sie ja, was zu tun ist, Viktor.
    »Zu tun?«
    Ja, sie kommen nämlich – durchs Tor, und Sie wissen, wie man sie aufhalten kann.
    »Sie kommen? Wer denn?«
    Sie wissen schon, wer.
    Luchov verstand und erwiderte: »Aber diese Waffen dürfen erst dann eingesetzt werden, wenn wir uns unserer Sache hundertprozentig sicher sind. Erst wenn wir sehen können, was da auf uns zukommt ...«
    ... Dann wird es zu spät sein!, brüllte Savinkov. Wenn nicht für uns, dann auf jeden Fall für Harry Keogh. Wir alle haben ihm Unrecht getan und müssen es wieder gut machen, denn er erleidet sinnlose Qualen. Wachen Sie auf, Viktor. Es liegt jetzt in Ihrer Hand.
    »Mein Gott!« Luchov wälzte sich unruhig hin und her, aber Savinkov hatte gesehen, dass er nicht aufwachen würde. Noch nicht. Es gab jedoch ... andere, die bereit dazu waren. Als Luchov den Telepathen dann wieder sprechen hörte – hörte, mit wem er sprach und worum er bat, ja geradezu flehte – da war er hochgeschreckt.
    Nun war er angekleidet und hatte sich beinahe wieder in der Gewalt. Er war allerdings immer noch ganz außer Atem, immer noch auf der Hut, und lauschte auf jedes Geräusch, ob es auch tatsächlich hierher gehörte. Das dumpfe Stampfen einer Maschine, das von irgendwoher durch den Boden drang; das Dröhnen einer Luke, die weit entfernt zugeworfen wurde; das Summen und Surren der Belüftungsanlage. Früher war der Direktor auf einer der oberen Etagen untergebracht gewesen, wesentlich näher an dem zum Ausgang führenden Schacht. Dort oben war ihm alles ruhiger vorgekommen, nicht so bedrückend. Doch hier unten, wo man sich fast direkt über den Magmasse-Ebenen und dem inneren Kern befand, hatte er manchmal den Eindruck, das ganze Gebirge laste auf seinen Schultern.
    Zwar lauschte Luchov weiterhin angestrengt. Doch sein Atem und sein Pulsschlag beruhigten sich allmählich, als klar wurde, dass alles in Ordnung und es tatsächlich nur ein Traum gewesen war. Nur ein schlimmer Traum, oder etwa nicht?
    Was hatten die plötzliche Unruhe und die sich nähernden Schritte auf dem Gang zu bedeuten? Heisere Warnrufe erschollen. Was um alles in der
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