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Todesreigen

Titel: Todesreigen
Autoren: Jeffery Deaver
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Auffahrt rauf und stellte den Buick gerade rechtzeitig hinter das Haus. Zwei Wagen der Staatspolizei schossen vorbei. Sie waren keine halbe Meile hinter uns gewesen, ohne Blaulicht. Wegen der kaputten Rücklichter hatten sie uns allerdings nicht gesehen. Sie huschten wie der Blitz vorbei, Richtung Stadtmitte.
    Toth drang ins Haus ein, wobei er nicht besonders sorgfältig vorging, sondern auf der Rückseite einfach ein Fenster einschlug. Es war ein Ferienhaus, ziemlich leer. Kühlschrank und Telefon waren abgestellt, was ein gutes Zeichen war – so bald würde hier niemand auftauchen. Außerdem roch es einigermaßen muffig, und Stapel alter Bücher und Zeitschriften aus dem Sommer lagen herum.
    Wir brachten den Typen nach drinnen. Toth wollte ihm gerade die Maske vom Kopf ziehen, aber ich sagte: »Verdammt noch mal, was hast du vor?«
    »Er hat überhaupt nichts gesagt. Vielleicht bekommt er keine Luft.«
    Hier redete ein Mann, der gerade auf drei Menschen geschossen hatte und sich jetzt Sorgen machte, ob dieser Typ
Luft bekam
? Oh, Mann. Ich konnte nur noch lachen. Angeekelt lachen, meine ich.
    »Vielleicht wollen wir ja nicht, dass er uns
sieht
«, sagte ich. »Hast du darüber nachgedacht?« Verstehen Sie, wir trugen unsere Skimasken nicht mehr.
    Es ist beängstigend, wenn man Leute an solche Dinge erinnern muss. Ich hätte Toth mehr Verstand zugetraut. Aber man weiß eben nie.
    Ich ging zum Fenster und sah wieder einen Streifenwagen vorbeifahren. Dieser fuhr langsamer. So arbeiten sie. Nach dem ersten Schock, nach der Jagd, werden sie klüger und fangen an, langsam zu fahren und wirklich darauf zu achten, was ihnen eigenartig vorkommt – was
anders
ist, verstehen Sie? Deswegen hatte ich die Zeitungen vor der Haustür liegen lassen. Sonst hätte der Vorgarten anders ausgesehen als am Morgen. Cops arbeiten wirklich mit diesem Colombo-Kram. Ich könnte ein Buch über Cops schreiben.
    »Warum haben Sie das getan?«
    Es war der Typ, den wir mitgebracht hatten.
    »Warum?«, flüsterte er wieder.
    Der Kunde. Er hatte eine leise Stimme und klang ziemlich ruhig, angesichts der Umstände, meine ich. Ich sage Ihnen, nach der ersten Schießerei, in die ich geraten bin, war ich den kompletten nächsten Tag vollkommen fertig, und dabei hatte ich eine Waffe getragen.
    Ich musterte ihn von oben bis unten. Er trug ein kariertes Hemd und Jeans. Aber er stammte nicht aus der Gegend. Das konnte ich an den Schuhen erkennen. Es waren Reiche-Jungs-Schuhe, genau die Art, wie Yuppies sie tragen. Wegen der Maske sah ich sein Gesicht nicht, doch ich konnte mich ziemlich gut daran erinnern. Er war nicht mehr jung. In den Vierzigern vielleicht. Leicht faltige Haut. Und dünn war er. Dünner als ich, dabei gehöre ich zu den Leuten, die es-sen können, was sie wollen, ohne dick zu werden. Ich weiß nicht, warum. So ist es einfach.
    »Ruhe«, sagte ich. Wieder fuhr ein Wagen vorbei.
    Er lachte. Leise. Als wollte er sagen: Was? Glauben Sie, man kann mich bis nach draußen hören?
    Irgendwie lachte er
über mich
, verstehen Sie? Das mag ich überhaupt nicht. Und, klar, wahrscheinlich konnte man draußen
nichts
hören. Trotzdem sollte er mir nicht mit irgendwelcher Scheiße kommen. »Halten Sie einfach den Mund. Ich will Ihre Stimme nicht hören.«
    Eine Minute lang war er ruhig und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, auf den Toth ihn gesetzt hatte. Dann aber fragte er wieder: »Warum haben Sie auf die Leute geschossen? Das war doch nicht nötig.«
    »Schnauze!«
    »Sagen Sie mir nur, warum.«
    Ich nahm mein Messer, ließ es aufschnappen und warf es durch die Luft, so dass die Klinge mit einer Art
Dong!
in einer Tischplatte stecken blieb. »Haben Sie das gehört? Das war ein zwanzig Zentimeter langes Buck-Messer aus gehärtetem Stahl. Mit feststellbarer Klinge. Damit kann ich problemlos einen Metallbolzen durchtrennen. Also halten Sie den Mund, damit ich es nicht an Ihnen ausprobiere.«
    Und wieder ließ er dieses Lachen hören. Vielleicht. Vielleicht war es auch bloß ein Schnaufen. Aber mir kam es wie ein Lachen vor. Ich wollte ihn schon fragen, was es bedeuten sollte, ließ es aber bleiben.
    »Haben Sie irgendwelches Geld dabei?«, fragte Toth und zog dem Typen das Portemonnaie aus der hinteren Tasche.
    »Na, schau an.« Er zog fünf- oder sechshundert Dollar heraus. Mann.
    Wieder fuhr ein Streifenwagen vorbei, ganz langsam. Er hatte einen Scheinwerfer, den der Cop auf die Einfahrt richtete. Aber sie fuhren weiter. Ich hörte eine Sirene
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