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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch
Autoren: Stephen King
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heulte über die verlassene Allee vor ihnen wie ein jaulender, durch ein verfallenes, unheimliches Haus jagender Hund.

    Zum fünften- und letztenmal wurden die Konzentrate ausgegeben. Es war jetzt nur noch ein Soldat nötig, um sie unter ihnen zu verteilen. Sie waren nur noch neun. Einige starrten die Gürtel fragend an, als ob sie so etwas noch nie gesehen hätten, und ließen sie wie glitschige Schlangen durch ihre Finger gleiten. Garraty brauchte, wie es schien, Stunden, um seine Hände dazu zu bewegen, die komplizierten Vorgänge zu bewältigen, die für das Umschnallen des Gürtels erforderlich waren. Der Gedanke ans Essen beleidigte seinen Magen, der sich schmerzhaft zusammenkrampfte. Ihm wurde übel. > Stebbins lief jetzt neben ihm. Mein Schutzengel, dachte er säuerlich. Als Stebbins bemerkte, daß er ihn beobachtete, grinste er breit und stopfte sich zwei mit Erdnußbutter beschmierte Kräcker in den Mund. Er kaute geräuschvoll. Garraty wurde schlecht.
    »Was is los?« fragte Stebbins mit vollem Mund. »Verträgst du das nicht?«
    »Was geht dich das an?«
    Stebbins schluckte mit, wie Garraty fand, großer Anstrengung. »Nichts. Wenn du wegen Unterernährung zusammenklappst, um so besser für mich.«
    »Ich glaube, wir werden es bis nach Massachusetts schaffen«,, sagte McVries schwach.
    Stebbins nickte. »Der erste Marsch seit siebzehn Jahren. Sie werden alle durchdrehen.«
    »Woher weißt du eigentlich so viel über diese Dinge?« fragte Garraty abrupt.
    Stebbins zuckte die Achsem. »Das steht alles in ihren Berichten.
    Sie haben schließlich nichts zu verbergen, oder?«
    »Was wirst du tun, wenn du gewinnst, Stebbins?« fragte McVries ihn.
    Stebbins lachte. Sein dünnes, bärtiges Gesicht, in das die Müdigkeit tiefe Falten eingegraben hatte, wirkte im Regen wie eine Löwenfratze. »Was glaubst du wohl? Soll ich mir einen großen, gelben Cadillac mit lilafarbenem Dach und einen Farbfernseher mit Stereolautsprechern für jedes Zimmer im ganzen Haus kaufen?«
    »Ich würde eher erwarten«, antwortete McVries müde, »daß du drei oder vier Riesen an die Stiftung zur Intensivierung der Grausamkeit an Tieren spenden würdest.«
    »Abraham hat wie ein Schaf ausgesehen, das sich in einem elektrischen Stacheldraht verfangen hatte«, sagte Garraty unvermittelt. »Das habe ich jedenfalls gedacht.«
    Sie gingen unter einem riesigen Transparent durch, das sie informierte, daß die Massachusettsgrenze nur noch fünfzehn Meilen entfernt sei. Es lag wirklich kein großes Gebiet von New Hampshire an der U. S. i, nur ein schmales Handtuch, das Maine von Massachusetts trennte.
    »Garraty«, sagte Stebbins liebenswürdig. »Geh doch nach Hause und schlaf mit deiner Mutter.«
    »Tut mir leid, das zieht bei mir nicht mehr.« Er wählte sorgfältig einen Schokoladenriegel aus seinem Gürtel und steckte ihn absichtlich ganz in den Mund. Sein Magen rebellierte fürchterlich, aber er schluckte ihn trotzdem hinunter, und nach einem kurzen, heftigen Kampf in seinen Eingeweiden wußte er, daß er auch unten bleiben würde. »Ich glaube, ich kann noch den ganzen Tag gehen, wenn ich muß«, sagte er gelassen. »Auch noch zwei, wenn es sein muß. Find dich damit ab, Stebbins, und gib den blöden Psychoterror endlich auf. Er funktioniert nicht mehr. Iß noch ein paar Kräcker mit Erdnußbutter.«
    Stebbins verzog den Mund - nur eine Sekunde lang, aber Garraty hatte es doch gesehen. Er hatte ihn getroffen, und plötzlich erfüllte ihn eine große Heiterkeit. Er wußte jetzt, wo Stebbins empfindlich war.
    »Also los, Stebbins«, sagte er fröhlich. »Sag uns, warum du hier bist. Angesichts der Tatsache, daß wir ja doch nicht mehr lange zusammen sein werden, kannst du es uns ruhig erzählen. Es bleibt gewissermaßen unter uns dreien. Jetzt, wo wir wissen, daß du nicht Superman bist.«
    Stebbins öffnete den Mund und brach ganz plötzlich die Erdnußbutterkräcker wieder aus, die er gerade heruntergeschluckt hatte. Sie schienen noch fast heil und kaum von den Verdauungssäften angetastet. Er stolperte und wurde - erst zum zweitenmal seit Beginn des Marsches - verwarnt.
    Garraty pochte das Blut in den Schläfen. »Na, mach schon. Jetzt hast du dich übergeben, nun kannst du auch alles zugeben. Sag es uns.«
    Stebbins Gesicht war kreidebleich geworden, aber er hatte seine Fassung wiedergewonnen. »Du willst also wissen, warum ich hier bin?«
    Auch McVries sah ihn jetzt neugierig an. Niemand war in ihrer Nahe. Am dichtesten war noch
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