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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
Autoren: Elias Palm
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Rechtsmediziner zu erleichtern, stellte die Abteilung eine solche Person an, die oft eine Ausbildung als Krankenschwester oder -pfleger hatte und die Rechtsmediziner unter anderem darin unterstützte, Patientenakten anzufordern, die in bestimmten Fällen nützlich sein konnten. Die Hilfskraft erledigte ebenfalls einen großen Teil der Kommunikation mit den Angehörigen und der Polizei.
    »Alles im grünen Bereich«, antwortete Ella und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.
    »Du hattest angefragt, wann ein gewisser John Westmark zuletzt lebend gesehen wurde«, stellte Jens fest. »Soweit ich sehen kann, steht das bereits in den Unterlagen«, fügte er vorsichtig hinzu.
    »Stimmt«, begann Ella, »aber das haben die Eltern gesagt, die für drei Tage weggefahren waren. Was können sie denn schon darüber wissen, was ihr Sohn während dieser Tage gemacht hat? Nein, die Polizei soll sich ruhig ein wenig mehr bemühen und in Erfahrung bringen, ob der Junge während der Zeit tatsächlich keinen Kontakt zu irgendwem anders gehabt hat. Vielleicht auf einer Silvesterparty?«
    »Ich verstehe. Ich rufe gleich dort an und kläre das ab.«
    Er legte auf.
    Nachdem sie ihre Unterlagen über die Vergewaltigung ein letztes Mal durchgelesen und die Fotos, die sie von den Verletzungen des Verdächtigten gemacht hatte, studiert hatte, öffnete sie eine ihrer Lieblingswebsites im Internet. Abgesehen von den wenigen Minuten, die sie sich für diese Website nahm, verbrachte sie relativ wenig Zeit mit Surfen im Internet. Es handelte sich um eine Auktionsseite, auf der man direkt übers Internet Gebote für allerlei Gegenstände abgeben konnte. Während der vergangenen Jahre hatte sie auch diverse Stücke gekauft. Sie hatte ein Faible für vergoldete Spiegel entwickelt, die nun in unzähligen Exemplaren die Wände ihres Arbeitszimmers zu Hause schmückten. Im Hinblick auf ihr mangelndes Interesse an ihrem eigenen Aussehen hätte die Wahl ihrer Sammlerstücke etwas eigenartig anmuten können, doch ihr Interesse an Spiegeln war ganz anders motiviert. Sie war eher an der Geschichte des Spiegels und seinem einzigartigen Charakter interessiert, wenn sie sich bei einer Auktion auf ein bestimmtes Stück festlegte. Sie hatte schon Stunden darauf verwendet, um darüber zu fantasieren, wer wohl bereits alles vor den Spiegeln gestanden und sich darin betrachtet hatte, bevor sie unter ihrem Dach gelandet waren. Sie sah sie als stumme Zeugen an, die niemals preisgeben würden, was sie einmal widergespiegelt hatten.
    Das Interesse an antiken Gegenständen teilte sie zu einem gewissen Teil mit ihrer Mutter Judit, zu der sie immer selteneren Kontakt pflegte. Ihre Mutter hatte sie, schon als sie noch klein war, zu Auktionen mitgenommen. Sie konnte sich immer noch an die Atmosphäre während dieser Ereignisse erinnern. An den Geruch nach alten Möbeln. An das Raunen, das auf ein unerwartet hohes Gebot folgte. Sie hatte jedes Mal verwundert zu ihrer Mutter aufgeschaut, die den dickbäuchigen älteren Männern, die üblicherweise in den Auktionshallen das Sagen hatten, mit großer Entschlossenheit eine Kostbarkeit nach der anderen vor der Nase wegschnappte. Den Grund dafür hatte sie erst später verstanden. Ihre Mutter war gerade erst Witwe geworden und trug bei jeder Auktion, die sie besuchte, schwarze Kleidung und einen Trauerflor, und kein Mann brachte es übers Herz, der jungen hübschen Witwe zu neiden, was sie benötigte, um ihre Trauer zu überwinden. Auch die Tatsache, dass ihre Mutter außerdem unglaublich vermögend war und aus einer einflussreichen Familie stammte, gereichte ihr bei den Auktionen nicht unbedingt zum Nachteil. Ella hatte keine Erinnerungen mehr daran, wie sie selbst angezogen war, als sie neben ihrer Mutter gesessen hatte, doch sie konnte nur vermuten, dass auch sie schwarz gekleidet war, um die Dramatik noch zu verstärken.
    Ihre Tragödie war damals offenbar ein landesweites Thema gewesen. Denn es handelte sich immerhin um die Tochter eines der führenden Unternehmer des Landes, die sowohl ihr Haus als auch ihren Mann in der entsetzlichen Feuersbrunst verloren hatte. Ellas Großvater war einer der Haupteigner des Rossing-Konzerns gewesen, der einer der großen Akteure an der Börse war, als der Brand damals in den 70er-Jahren ausbrach.
    Nach der Feuersbrunst hatten Mutter und Tochter für eine Weile bei den Großeltern zu Hause gewohnt, doch an die Zeit konnte Ella sich kaum erinnern. Eher schon an die Tatsache, dass ihr Aufenthalt
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