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Todeshunger

Todeshunger

Titel: Todeshunger
Autoren: David Moody
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noch langsamer gewesen wärst, wäre es jetzt um uns geschehen.«
    »Kann sein.«
    Er lehnt sich, immer noch schwer atmend, an einen Baum. Wir sollten weiter, aber der Gedanke an eine Ruhepause ist verlockend. Die Unveränderten dürften sich hier eine Weile nicht sehen lassen. Selbst im Schatten ist die nachmittägliche Hitze drückend, und jetzt, wo ich mich nicht bewege, will ich nicht mehr weitergehen. Ich erliege der Versuchung, mache es mir neben Adam bequem, schließe die Augen und spiele die Erinnerung an das heutige Töten immer wieder auf dem Bildschirm meines Geistes ab.

2
    W ir gehen weiter, als die Dämmerung anbricht und die Dunkelheit die Hitze endlich erträglich macht.
    »Wie spät ist es?«, fragt Adam.
    »Keine Ahnung.«
    »Was für einen Tag haben wir?«
    »Weiß ich auch nicht.«
    »Ist vermutlich auch nicht wichtig«, brummelt er, während wir uns langsam einen Feldweg entlangschleppen, der um eine verlassene Farm herumführt. Er hat recht – Zeit, Tag, Datum, Temperatur, Mondphasen … das alles spielt eigentlich keine Rolle mehr. Es geht im Leben nicht mehr um Ordnung und Routine, sondern darum, dass man jagt und tötet und den Tag unbeschadet übersteht. Als der Krieg anfing, zählte einzig und allein das Töten, doch inzwischen scheint sich die Lage etwas zu verändern.
    Ich würde es Adam natürlich nie sagen, aber es macht mir Spaß, mit ihm herumzuziehen. Es ist unerwartet angenehm, dass ich einen wie ihn habe, mit dem ich mich unterhalten kann. Vielleicht habe ich ihn deshalb gerettet und mich die letzten Tage mit ihm abgegeben. Ohne dass es ihm selbst bewusst wäre, hilft er mir zu begreifen, was seit dem Ausbruch des Hasses mit mir geschehen ist. Adams Eltern hatten ihn, bevor ich sie getötet habe, in der Garage eingesperrt und wie einen Hund an der Wand angekettet. Dort hatte er Monate in völliger Einsamkeit
verbracht. Ich musste ihm erklären, was mit dem Rest der Welt geschehen ist, während er eingesperrt war. Das alles zu rekapitulieren hat mir geholfen, es zu verstehen.
    Adams erste direkte Erfahrung des Hasses war meiner nicht unähnlich, aber in gewisser Weise hatte es der arme Kerl viel schwerer als ich. Als er erkannte, was er geworden war und tun musste, war er vollkommen unvorbereitet. Er versuchte, seine Familie zu töten, doch da ihn die gleiche Angst und Desorientierung erfüllten, die ich empfand, nachdem ich meinen Schwiegervater getötet hatte, gelang es seinem Vater, ihn zu bezwingen, indem er ihm mit einem Hammer die rechte Hand und den linken Knöchel zertrümmerte. Doch Adams Eltern gaben ihm nicht den Rest oder lieferten ihn den Behörden aus, sondern sperrten ihn ein und kapselten sich ab. Sie hatten nicht die Kraft, ihn zu töten, obwohl sie wussten, dass er nicht zögern würde, ihnen den Garaus zu machen. Ich kann ihre Motive verstehen. Es ist wie bei dem eingerollten Kind, das ich heute gefunden hatte. Die Unveränderten können einfach nicht loslassen. Sie klammern sich in der vergeblichen und sinnlosen Hoffnung, dass man sie eventuell heilen oder zurückverwandeln könnte, an die Menschen, die ihnen etwas bedeutet haben. Doch wie sollte man uns heilen? Schließlich sind nicht wir die Kranken. Adams Eltern hatten alles geplant. Sie hungerten den armen Teufel tagelang aus, und dann gaben sie ihm Essen mit Betäubungsmitteln, damit sie ihn unter Kontrolle hatten. Als ich ihn fand, war das wie eine Szene aus einem Scheißbuch von Stephen King. Ich frage mich, ob Stephen King wie wir oder wie sie ist …
    »Können wir bald Rast machen?«
    »Warum nicht.«
    »Hast du eine Ahnung, wo wir sind?«, fragt Adam. Seine
Stimme klingt schwach. Ich sehe ihn an. Sein Gesicht ist weiß, die Haut feucht.
    »So ungefähr«, antworte ich. In Wahrheit bin ich nicht ganz sicher, aber zum ersten Mal seit einer Ewigkeit habe ich wenigstens eine ungefähre Ahnung, wo ich bin. Seit Wochen bin ich überall zu Fuß hingegangen. Wie die meisten Menschen meide ich Autos und ähnliche Transportmittel – sie erfüllen mich mit Misstrauen, denn eigentlich möchte ich gar nicht auffallen, aber die meisten Straßen sind ohnehin blockiert und unpassierbar geworden. Ich wusste, dass wir uns in der Nähe befinden mussten, aber gestern Abend, als wir eine Stunde am Rande eines erbitterten Kampfes auf eine Gelegenheit zum Töten warteten, die nie kam, erblickte ich The Beeches am Horizont – eine Baumgruppe auf dem Gipfel eines ansonsten völlig kahlen Hügels. Diese Bäume sind ein
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