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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist
Autoren: Andreas Gruber
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nobel war die Atmosphäre bei Kerzenschein und leiser Pianomusik.
    Helen hatte einen herrlichen Ausblick auf den Fluss und die Schwedenbrücke. Seit der Begegnung mit Carl war sie nicht mehr ausgegangen. Heute wagte sie sich zum ersten Mal wieder unter Leute. Sie trug ein blaues Cocktailkleid und eine Stola. Die linke Hand war nur noch leicht bandagiert, die rechte mit einer dicken Mullbinde über einer Schiene. In der Spiegelung des Fensters sah es aus, als trüge sie weiße Handschuhe. Die Chirurgen des Wiener AKH hatten nur ihren rechten Daumen retten können. Gestern waren die Nähte gezogen worden, doch sie durfte den Finger weitere sechs Wochen nicht belasten, bis der Knochen verheilt war. Sie wusste, die anschließende Bewegungstherapie würde qualvoll werden.
    Ben Kohler saß ihr gegenüber, im schicken, eng anliegenden Smoking. Wie immer sah er fantastisch aus. Ben hatte die Tortelloni auf ihrem Teller halbiert. Ohne Daumen und mit dem Taubheitsgefühl in der Hand war sie nahezu hilflos.
    Er nippte an seinem Cocktail und beugte sich zu ihr über den Tisch. »Im Magazin NEWS ist gestern ein Artikel über dich erschienen.«
    Sie seufzte. »Ich weiß.«
    »Alle Kollegen auf der Dienststelle haben ihn gelesen. Soviel ich weiß sogar dein alter Freund, der Polizeipräsident. Oliver hat ihm den Artikel in einem Hauspostkuvert geschickt.«

    Sie lachte. »Im Ernst?« Dann dachte sie an die Beschuldigungen im Fall Winkler, und wie die Kripo damals versucht hatte, ihren Ruf zu ruinieren und ihr die Schuld an der misslungenen Verhaftung in die Schuhe zu schieben.
    Ben lehnte sich zurück. »Du hast das Rätsel des Entführers gelöst, Rose Harmann gerettet und Struwwelpeters wahre Identität aufgedeckt. Das alles unterstreicht deinen Erfolg als ehemalige Profilerin und Psychotherapeutin.«
    Helen schwieg. Im Gegenzug hatte sie allerdings schmerzvoll die Wahrheit über ihren perfekten Ehemann Frank, den eloquenten Staatsanwalt, erfahren müssen. Ihre verstümmelte linke Hand und die Narben auf beiden Handrücken würden sie ein Leben lang an die Ereignisse vor zwei Wochen erinnern. Aber Rose Harmann war noch schlimmer dran. Die Ärzte mussten ihr eine Hand am Gelenk amputieren. An der anderen Hand blieb ihr nur ein Finger. Nach zwei Wochen auf der Intensivstation war sie nun in psychiatrischer Behandlung mit anschließender Reha. Helen wusste, sie würde Anne Lehner nie wiedersehen. Ob Frank seine Geliebte besuchte, würde sie wohl auch nie erfahren. Vermutlich sah er sich schon nach einem Ersatz um.
    Als sie im Krankenhaus gelegen hatte, war Frank zu Besuch gekommen. Nur ein Mal! Er wollte sie umarmen, doch sie hatte seine Hand beiseitegeschlagen. Sie hatte ihm drei Tage gegeben, ihr Haus zu verlassen. Noch während ihres Aufenthalts im Krankenhaus hatte sie die Scheidung eingereicht – und Ben auf eine andere Sache angesetzt, die sie seit Tagen zermürbte.
    Bei einem Gespräch zwischen Rose, Ben, einem Psychiater und einigen Kripobeamten war herausgekommen, dass Frank seine Geliebte während deren Schwangerschaft mit Limetten-Bio-Drinks versorgt hatte. Allerdings waren die Säfte präpariert gewesen. Frank hatte mit einer Spritze durch die Deckel gestochen und eine hochkonzentrierte Antibiotikum-Infusionslösung in die Flaschen injiziert. Mehr als fünf Drinks innerhalb von drei Tagen waren nicht nötig gewesen, um bei Rose Blutungen und Krämpfe
im Unterleib auszulösen. Vielleicht hätte Helen ihrem Mann die Affäre verzeihen können – doch niemals die Tatsache, dass er ein ungeborenes Kind getötet hatte. Die rechtliche Konsequenz stand noch aus, aber es war ziemlich sicher, dass er seinen Job als Staatsanwalt verlieren würde.
    »Helen?«, fragte Ben.
    Sie blickte auf.
    »Ich sagte, dein Mann fährt übrigens nicht mehr mit dem Lamborghini ins Büro.«
    Exmann, korrigierte sie in Gedanken. »Ich weiß, ich lasse den Wagen versteigern. Der Erlös ist für ein Waisenhaus.«
    Er schmunzelte. »Kein Scheiß?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Lass uns über etwas anderes reden, okay?«
    »Okay.« Er griff nach einem Stück Rindfleisch von seinem Teller und ließ es unter dem Tisch verschwinden.
    »Hör auf!«, zischte sie und schielte zu dem Kellner. War das zu fassen?
    »Ich tu doch gar nichts.«
    »Nur den Hund bestechen.« Sie hörte, wie Dusty unter dem Tisch nach dem Fleisch schnappte. Nachdem Helen im Ambulanzwagen abtransportiert worden war, hatte sich Ben sofort auf die Suche nach Dusty gemacht. Schließlich
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