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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen
Autoren: Jan Beinßen
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eigentlich alles verkauft, was ich kriegen konnte«, gestand Spencer freimütig ein, »aber um harte Drogen habe ich einen großen Bogen gemacht. Kein Heroin, nur Alkohol, Zigaretten, hin und wieder Hasch, ja, so etwas konnte man bei mir bekommen. Well, auch Autos und natürlich Girls, die sich von mir vermitteln ließen.« Vor ein paar Jahren sei er dann aus dem aktiven Dienst ausgeschieden, jedoch in Deutschland geblieben. »Viele Amerikaner träumen von Bavaria, ich aber lebe diesen Traum«, sagte er stolz. Mittlerweile habe er seine Geschäfte ausgeweitet und sogar im Immobilienmarkt Fuß gefasst. Aber am liebsten seien ihm nach wie vor »die Geschäfte, die es eigentlich nicht geben dürfte«. Er schmunzelte verschwörerisch.
    Dann hob er plötzlich seinen Arm und deutete nach rechts: »Da, sehen Sie, die Luitpoldstraße: Das war lange Zeit mein zweites Zuhause. In den ehemaligen Luitpold-Stuben haben wir GIs die willigsten Fräuleins kennengelernt. Und auch im Flying Dutchman ging’s immer gut zur Sache.«
    Sie waren kurz vor dem Hauptbahnhof, als sich Spencers Miene verfinsterte: »Hier war früher das Twenty Five, ein netter Tanzschuppen, hauptsächlich von schwarzen GIs besucht. Im Sommer 1982 richtete ein Neonazi ein Blutbad an und tötete einige Kameraden. Da war der Krieg für eine kurze Zeit nach Nürnberg zurückgekehrt.«
    »Sie waren also Angehöriger der US Army«, hakte Sina noch einmal nach. »Was hatten Sie denn für einen Dienstgrad und wofür waren Sie offiziell zuständig?«
    Spencer freute sich offenbar über Sinas Interesse und holte aus: »Well, meine Basis waren – wie gesagt – die Merrell Barracks. Die frühere SS-Kaserne diente ja ab 1952 als Hauptquartier des Second Armored Cavalry Regiments, also auf Deutsch Panzeraufklärungsregiment. Von Merrell, dem Namensgeber, heißt es, er habe bei der Invasion im Alleingang 23 deutsche Soldaten getötet, ehe er selbst zu Tode kam.« Spencer selbst bekleidete den Rang eines First Lieutenant, verantwortlich für taktische Ausbildung und Manöverorganisation. Sein Hauptaugenmerk lag aber von Beginn an auf den Versorgungswegen der Kaserne: »Wir hatten ein eigenes Einkaufszentrum mit US-Waren, eine Snackbar, Kantine, Kino und ein Postamt. Doch das Angebot war eingeschränkt und ließ sehr zu wünschen übrig, weshalb ich mich in der Pflicht sah, es im Sinne meiner Kameraden etwas aufzumöbeln.«
    »Also gut«, meinte Sina, die sich mehr Aufschluss über seine militärischen Aktivitäten erhofft hatte. »Aber nun sind Ihre Kameraden ja alle weg. Sie sind der letzte Mohikaner, was?«
    Wehmut schwang in Spencers Stimme, als er sagte: »Das Zweite Panzeraufklärungsregiment ist schon im Herbst 1990 an den Persischen Golf verlegt worden. Vor einem knappen Jahr, am 15. September 1992, holten meine Kameraden zum letzten Mal auf dem Hof der Barracks die Fahne mit den Stars and Stripes ein. Ich gehöre zwar schon eine Weile nicht mehr zu dem Verein, aber das war kein leichter Moment für mich, das könnt ihr mir glauben.« Mit bitterem Unterton fügte er hinzu: »Wenn demnächst Al Gore nach Nürnberg kommt, wird es für lange Zeit der letzte offizielle Besuch eines hochrangigen Amerikaners sein, darauf können Sie Gift nehmen.«
    Sina begann, für diesen von seinen Kameraden vergessenen Cowboy Sympathie zu entwickeln. Gern hätte sie mehr erfahren über seine Zeit als GI in Nürnberg und die Einstellung der Amerikaner gegenüber den Deutschen im Allgemeinen und den Franken im Besonderen.
    Gabriele jedoch verlor keine Sekunde den eigentlichen Grund aus den Augen, der sie mit Spencer zusammengeführt hatte: »Ihre Kommiss-Nostalgie in Ehren – aber was können Sie uns denn nun anbieten? Wie stellen Sie sich das Geschäft vor, das Sie mit uns abschließen wollen? Nach Jugoslawien reisen wir jedenfalls nicht, das steht fest.«
    Spencer sah sie für einen Moment verblüfft an. Dann lachte er rau und herzlich. »Sie sind ein echtes Revolverweib, was? Sie wollen endlich zur Sache kommen? Aber gern, Schätzchen!«
    Gabriele warf ihm einen giftigen Blick zu, worauf Spencer eine entschuldigende Geste machte und die beiden Frauen in eine wenig belebte Nische im Zugangsbereich der St.-Klara-Kirche dirigierte. Vor dem altehrwürdigen Sandsteingebäude blieben sie stehen, und Spencer verkündete: »Damit Sie meine Rolle richtig einschätzen können: Auch ich bin nur ein Zwischenhändler. Kein ganz so kleines Licht wie Vladi, aber auch nicht der Boss. Und, well, ich
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