Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen
Autoren: Jan Beinßen
Vom Netzwerk:
aufzuwärmen, ja, erneut zum Glühen zu bringen. Er sehnte sich nach ihr wie nach keiner anderen Frau. Klaus war beileibe keine treue Seele und würde es nie werden, doch er kehrte immer wieder zu seiner langjährigen Beziehung zurück. In gewisser Weise war er in Sina verliebt. Dies sollte kein bewusst gefasster, kühl kalkulierter Beschluss sein, sondern wurde ihm von seinen Gefühlen diktiert. Klaus war von seinen starken Emotionen, die Sina in ihm auslösen konnte, jedes Mal aufs Neue ergriffen. Diese Wirkung auf ihn erwies sich als dermaßen nachhaltig, dass er sogar bereit war, notfalls um seine große Liebe zu kämpfen.
    Nun ja, vielleicht nicht im wahrsten Sinne des Wortes und ganz bestimmt nicht mit den Fäusten. Aber sein Engagement reichte immerhin für den Gang in einen Blumenladen aus. Das bedeutete für seine Verhältnisse schon ein großes Opfer.
    Während der Rosenstrauß vor seinen Augen Gestalt annahm, prächtig und überwältigend, malte er sich die beabsichtigte Wirkung auf Sina aus: Sie würde ihn zunächst kühl und abweisend empfangen. Nicht verwunderlich, denn ihre letzte Begegnung vor einem Jahr hatte unter keinem guten Stern gestanden. Dann saß er in der U-Haft fest, konnte nichts tun. Nach den sechs Wochen im Knast musste er sich austoben und das Versäumte nachholen. Er wilderte in Discos, machte Beute im Nürnberger Mach 1 ebenso wie im Erlanger Gossip. Er schleppte eine Krankenschwester ab. Die war nett, legte jedoch depressive Tendenzen an den Tag. Er wechselte zu einer Schwarzafrikanerin, die mit einem reichen Bäckereikettenbesitzer liiert war. Eine Granate im Bett, aber ihr Mann machte schon am zweiten Tag Schwierigkeiten. Es folgte eine Brasilianerin, die Samba tanzen konnte und ihr Becken auch sonst virtuos einzusetzen vermochte. Allerdings erwies sie sich als extrem eifersüchtig, was ihn ebenso extrem nervte. Nach dem Intermezzo mit einer Ossifrau, die es unbedingt einmal mit einem Wessi treiben wollte, was sie zur Freude der Nachbarn spät abends auf seinem Balkon vollzogen, besann er sich während des anschließenden Frühstücksplauschs mit starkem sächsischen Akzent der Vorzüge seiner Sina. Es war an der Zeit, sich endlich wieder bei ihr zu melden. Und er war sicher, dass sie beim Anblick der Rosen weich werden würde.
    »Gefällt er Ihnen? Möchten Sie Papier oder Folie?«
    Die Floristin riss ihn aus seinen Erinnerungen, als sie ihm den fertigen Strauß entgegenhielt. Er entschied sich für Papier, denn Folie hätte einen Aufpreis gekostet, und zahlte. Als er die Geldscheine überreichte, drückte er sanft die Hand des Blumenmädchens und formte seine Lippen zu einem angedeuteten Kuss. So hielt er sie sich warm. Nur für den Fall, dass bei Sina wider Erwarten nichts laufen sollte.
    Er verließ das Geschäft und ging schnurstracks in Richtung seiner Wohnung in der Humboldtstraße. Es gab ja noch viel zu tun: Er musste sich in Schale werfen, den passenden Duft auswählen. Außerdem würde er sich von seinem Dreitagebart trennen, denn Sina mochte es nicht, wenn seine Stoppeln ihr zwischen den Oberschenkeln kratzten. Sicherheitshalber würde er auch eine Packung Kondome einstecken. Nur für den Fall, dass sie die Pille aus unerfindlichen Gründen abgesetzt haben sollte.
    Er nahm den Heimweg wie ferngelenkt, denn in Gedanken war er bereits viel weiter. Vor seinem geistigen Auge zeichnete sich Sinas Körper ab, ihre kleinen festen Brüste, der knackige Hintern, ihre süßen …
    Am Rande des Aufseßplatzes fasste ihn jemand an die Schulter. Abrupt wurde Klaus gestoppt. Verdattert schaute er sich um. Er sah einen muskulösen Oberkörper in einem karierten Hemd und darauf einen Kopf. Oder vielmehr einen feisten Dickschädel. Es war ein rundes Gesicht mit pockennarbiger Haut und kurz geschorenem roten Haar.
    Klaus kannte das Gesicht und die Person, zu der es gehörte. Ihm stockte der Atem, als er in die wässrigen grünblauen Augen des Mannes sah, dessen Namen ihm nicht geläufig war, der sich in seinen Erinnerungen aber unauslöschlich als irischer Bauer eingebrannt hatte.
    Der Hüne mit dem eisernen Griff fungierte als Mann fürs Grobe in einer Söldnertruppe, die ihm, Sina und Gabriele mehr als einmal die Hölle auf Erden bereitet hatte. Klaus war bis eben davon ausgegangen, dass diese Truppe zerschlagen und die Gefahr damit ein für allemal gebannt war. Doch nun stand ausgerechnet der übelste Bursche direkt vor ihm und hielt ihn fest. Wie Schraubstöcke schlossen sich die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher