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Todesfessel - Franken-Krimi

Todesfessel - Franken-Krimi

Titel: Todesfessel - Franken-Krimi
Autoren: Volker Backert
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über das kurz geschorene Haar und lauschte Löhleins Ausführungen.
    »Achtzehn achtunddreißig, Anruf der Notrufzentrale, angeblich weibliche Leiche im Landestheater. Erster Angriff achtzehn dreiundvierzig; die Garderobiere, die den Alarm ausgelöst hat, war schon nicht mehr ansprechbar. Schwerer Schockzustand, Weinkrämpfe und heftigstes Erbrechen, die Sanis haben sie gerade mitgenommen …«
    »Voorsicht!«
    Beinahe wäre der Oberstaatsanwalt mit seinen handgenähten Budapestern auf ein Spurenschild getreten, ein weiß gewandeter Spurensicherer raunzte ihn mürrisch an. Charly erkannte neben dem Schild ein paar große Bluttropfen auf den Fliesen, die zur letzten Tür ganz hinten führten.
    Gerade kam Heisler mit dem Camcorder heraus, sein unrasiertes Gesicht heute ungewohnt blass. Mit leerem Blick nickte er Charly wortlos zu. Sofort spürte Charly die altbekannte Faust im Magen; den verzweifelten Abwehrreflex seines Körpers, wenn der Anblick der Leiche bevorstand.
    Tief durchatmen.
    Entschlossen ging er voraus und trat vor Dr. Stein und Löhlein über die Schwelle der kleinen Garderobe.
    Blutspritzer auf dem Gesicht des Ministerpräsidenten: »185 Jahre Landestheater Coburg«; ein schon etwas älteres, jetzt blutbesudeltes Plakat, im Todeskampf halb von der Wand gerissen.
    Blut an der Wand, Blutspuren auf dem Boden, Blutspritzer am Spiegel.
    Ein blutiges Inferno.
    Spurensicherung ohne gleichzeitige Spurenzerstörung war in diesem kleinen Raum fast unmöglich, dachte Charly noch einen seltsam sachlich-nüchternen Moment lang.
    Dann erst sah er die Tote.
    Auf dem Stuhl hinter der Tür.
    »Kim LaYoung, Koreanerin, achtundzwanzig Jahre …« Löhleins Stimme klang plötzlich seltsam kloßig.
    »Kim LaYoung? Der Coburger Publikumsliebling der letzten zwei Jahre?«
    Splitternackt, blutverschmiert und mit gespreizten Beinen.
    Rittlings auf den Stuhl gefesselt.
    Der Mörder hatte sie vom Hals bis zu den Hüften dekorativ verschnürt und an die Lehne gebunden. Ihr Kopf war nach hinten übergekippt, von vorn sah man nur ihren langen weißen Hals. Grässlich entstellt durch eine klaffende Wunde. Ihr sehniger weißer Körper war blutig rot verklebt.
    »Wer macht denn so was …!« Der Oberstaatsanwalt flüsterte vor Entsetzen, begann zu würgen und verließ fluchtartig die Garderobe, dicht gefolgt von Löhlein.
    Charly registrierte es nur noch am Rande.
    Er wusste um seine Stärke, sich nicht vom allerersten Tatort-Schock lähmen zu lassen. Keiner konnte so schnell wie er den Schalter umlegen und sich, in instinktiver Verdrängung einerseits und spontaner Wut auf den Täter andererseits, sofort vom Tatort inspirieren lassen. Hellwach und intensiv nachspüren, was sich vor Ort ereignet, was sich im Kopf des Täters abgespielt haben mochte. Die wichtigsten und wertvollsten Momente jeder Mordermittlung. Sie würde ihn auch diesmal wieder schlaflose, erschöpfte Nächte kosten …
    Der Ministerpräsident echauffierte sich. »Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst, dass Sie uns hier nicht ranfahren lassen, junger Mann!«, blökte er aus dem Seitenfenster hinaus in die regnerische Nacht auf dem Schlossplatz. »Bei dem Mistwetter kann doch keiner aussteigen, das ist ja schon die reinste Seenlandschaft hier! Und die Premiere fällt aus? Ich will sofort Ihren Vorgesetzten sprechen!«
    Ärgerlich zischte er in sein Handy.
    »Vöhringer … steigen Sie mal aus und kommen kurz Sie rüber … Kümmern Sie sich drum, dass wir hier ganz rankommen! Ich will sofort den ranghöchsten Ermittler sprechen, der am Tatort ist, und anschließend ein gemeinsames Foto mit Polizeichef und ein paar Uniformierten … aber nicht diese Null da, die uns grad aufhält, der wird extra verarztet! … Und lassen Sie sich bloß nicht auf irgendeine Pressekonferenz oder so was vertrösten … Allez, hopp, Vöhringer!«
    Der Gerichtsmediziner war eingetroffen und streifte sich vor der Garderobe gerade seinen weißen Schutzanzug über. Es war ein alter Bekannter, stellte Charly überrascht fest: Dr. Christof Siebenkind, unter seinem Spitznamen »Seven« in den späten Achtzigern ein erbitterter Squash-Gegner in der Hobby-Liga des »Mohren-Squash« am Vorderen Floßanger. Jetzt seit Jahren in Erlangen am Institut für Rechtsmedizin in der Universitätsstraße.
    »Seven, alter Junge! Wie kommst denn du so schnell hierher?«
    Siebenkind schloss die Klettabdeckung seines Reißverschlusses und zwinkerte ihm müde zu.
    »Stell dir vor, ich hatte nach zwanzig Jahren endlich
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