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Todesfessel - Franken-Krimi

Todesfessel - Franken-Krimi

Titel: Todesfessel - Franken-Krimi
Autoren: Volker Backert
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wallendes Hippie-Gewand, auf der haarlosen Brust die unvermeidliche » PEACE «-Kette.
    Was für ein affektiertes Lachen, dachte Kim, nur um seine künstlich weißen Jacketkronen zu entblößen … Sie warf den Kopf in den Nacken, löste sich mit Nachdruck aus Langenaus Umklammerung und eroberte leichtfüßig die Tanzfläche, die jetzt Fleetwood Mac dominierten: »Don’t stop thinking about tomorrow …!«
    * * *
    Morgen … übermorgen … überübermorgen … vielleicht noch Monate und Jahre! Wie soll ich das nur überleben …
    Er lag angezogen auf der viel zu kurzen, durchgesessenen Schlafcouch und starrte Löcher in das Dunkel. Wie oft habe ich das früher schon erlebt.
    Erleben müssen.
    Zimmerarrest im Dunkeln, mit herausgedrehter Sicherung. Und im Wohnzimmer haben sie die Musik aufgedreht und mit der Kleinen getanzt, gespielt und herumgeschäkert.
    Und ich hab mir am Schlüsselloch die Augen ausgeheult. Nur weil ich mal bockig war – und nicht so gut wie ihr göttlicher kleiner Engel …
    Er zerrte an seinem Hemdkragen. Die Hitze, diese unerträgliche Hitze … plötzlich stieg sie wieder in ihm auf; wie in der bösen alten Zeit … nur allzu gut kannte er sie noch …
    Schwerfällig setzte er sich auf, kratzte sich an der Brust und stierte nach draußen. Der wolkengraue Nachthimmel war aufgerissen.
    Über den alten Bäumen hing der elfenbeinfarbene Mond wie ein riesiger fetter Lampion.
    * * *
    Was für ein unwirklich schönes Licht, dachte Kim. Mutterseelenallein stand sie im mondbeschienenen Schlosshof. Langsam, fast andächtig, dehnte sich die Ballerina, streckte sich sanft und erwartungsvoll immer weiter nach oben, bis auf die Zehenspitzen hinauf.
    Endlich wieder frei!
    Frei und los von brünstiger, alkoholisierter Anmache und gierigen Umklammerungen.
    Nur ganz leise drang das Stampfen der Disco-Beats durch die dicken Schlossmauern. Monotonstes Four-on-the-floor , unsäglich primitiv und öde. Wie die ganze Gesellschaft hier: »Victors Atelierfest« – lauter seichte, selbstverliebte Schickimickis, die einmal im Jahr so richtig die Sau rauslassen …
    Der große Meister war sehr ungehalten gewesen, als er sie bei ihrem heimlichen Aufbruch ertappt hatte: »Nein, liebe Kim; das ist unverzeihlich. Gerade du, unsere allseits beliebte und verehrte Primaballerina … Nein, das kann ich nicht gutheißen, das sieht bestimmt auch der Intendant nicht gern. Mein Atelierfest ist einmal im Jahr und bringt euch ein erkleckliches Sümmchen ein … Mach bitte keine Sperenzchen und sei noch ein bisschen gesellig hier!«
    Egal.
    Sie ließ die Arme fallen und löste ihre Körperspannung wieder. Victor würde es verschmerzen und hatte es sicher schon jetzt wieder vergessen. Ihr Blick fiel auf die Turmuhr der Hohensteiner Schlosskapelle.
    Null Uhr fünfzig – Zeit, ins Bett zu gehen. Knapp neunzehn Stunden noch bis zur glanzvollen Wiedereröffnung des Landestheaters, bis zum Besuch des Ministerpräsidenten.
    Im Schein des Vollmonds kramte sie aus ihrer kleinen weißen Ledertasche den Autoschlüssel heraus und stutzte: Irgendetwas fehlte doch … Schlüssel, Geldbörse, Make-up, Lippenstift, Haarband, Kleenex … das Handy! Kim stöhnte genervt auf. Bloß nicht wieder zurück in Victors »Studio 54«.
    Aber dort konnte es gar nicht sein. Sie hatte es den ganzen Abend nicht benutzt – genau, seit der SMS an ihre Mutter in der Künstlergarderobe! Erleichtert öffnete sie die Autotür und ließ sich hinter das Lenkrad ihres Mini Cooper fallen. Im Theater lag das iPhone sicher, dort konnte sie es unbesorgt bis abends liegen lassen.
    Oder doch noch auf dem Heimweg schnell mitnehmen?
    * * *
    Nervös huschte der Blick des Mannes nach allen Seiten. Keine Autos, keine Fußgänger.
    Niemand war zu sehen, nur aus der Kneipenmeile im Steinweg drangen ein paar vereinzelte Gröler und Lacher über den Theaterplatz.
    Hastig zog er hinter sich die Tür ins Schloss, drehte zweimal den Schlüssel herum.
    Endlich!
    Nur noch wenige Schritte bis zur Befreiung, bis zur Erfüllung … Mit weichen Knien stieg er die schummrige Treppe nach oben. Jetzt bloß keinen Lichtschein nach draußen dringen lassen, die Taschenlampe musste sich noch etwas gedulden. Hier, in diesem Gang, ganz hinten, musste es gewesen sein. Die altdeutschen, ehrfurchtgebietenden Messinglettern auf der Holztür verrieten es.
    Künstlergarderobe .
    Vorsichtig betrat er den dunklen Raum, lehnte sich mit klopfendem Herzen von innen gegen die Tür. Dankbar fühlte er, wie sein
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