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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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jetzt ebenfalls Anlauf. Die beiden schienen entschlossen zu sein, die Sitzbank zu zertrümmern.
    Noch 10 Minuten , stand auf der Anzeigetafel.
    Erich Sassbeck gab sich einen Ruck, ging auf die Jugendlichen zu. »He«, rief er, als er nahe genug heran war. »Ihr da. Das tut man nicht.«
    Die beiden hörten auf, schauten ihn an, grenzenlose Verwunderung im Blick. Offensichtlich war es lange her, dass ihnen jemand gesagt hatte, was sich gehörte.
    »Diese Bank«, fuhr Sassbeck fort, »ist Gemeineigentum. Es ist nicht in Ordnung, das Eigentum aller zu beschädigen.«
    Die Sachen, die sie trugen, sahen neu und teuer aus, aber sie passten ihnen nicht, und sie passten auch nicht zusammen. Als hätten sie viel Geld ausgegeben, um hässlich gekleidet zu sein.
    »Ey«, sagte der eine, »bist du scheiße im Kopf oder was?« Es klang wie ein Akzent, aber zugleich so, als mache er diesen Akzent nur nach.
    »Ich sage nur –«
    »Willst du Streit, Mann?«
    Sassbeck holte Luft. »Nein. Nein, ich suche keinen Streit. Ich möchte nur, dass ihr das lasst.«
    Sie ließen es. Es war unübersehbar, dass die Bank sie nicht mehr interessierte.
    Sie kamen auf ihn zu. Er war viel interessanter.
    »Ey«, sagte der andere, »meins’ du, ich lass mir von alten Knackern was vorschreiben?«
    Es klang unangenehm, wie er das sagte.
    Es klang richtig gefährlich .
    Erich Sassbeck sah sich um. Der Bahnsteig lag verlassen; außer ihm und den zwei Jugendlichen war niemand da. Und er war sechsundsiebzig – zu alt, um davonzurennen.
    Sassbeck sah die beiden auf sich zukommen, wollte etwas sagen, etwas, das die Situation wieder entspannte, bis in
    8 Minuten
    die U-Bahn kam, aber er wusste nicht, was.
    Das mit der Zivilcourage kam ihm auf einmal vor wie eine verdammt hinterhältige Falle.
    Vielleicht würde er jetzt sterben. Das las man oft in der Zeitung, von Leuten, die in aller Öffentlichkeit zusammengeschlagen wurden und von denen es manche nicht überlebten.
    Irmina Shahid sah auf die Uhr, während sie die Treppe zur U-Bahn hinabeilte. Doch, die Bahn würde sie noch kriegen. Gut. Es wäre auch zu peinlich gewesen, wenn sie ihre Freundin noch einmal herausklingeln und um Geld für ein Taxi nach Hause hätte bitten müssen.
    Sonst nahm sie immer die Bahn eine halbe Stunde früher, nicht die letzte. Die hier würde nur bis zur Wendeschleife hinausfahren und dann noch einmal stadteinwärts ins Depot. Die Lumpensammler-Fahrt. Da hockten oft seltsame Gestalten in den Wagen, und man erlebte bisweilen unerfreuliche Dinge. Doch sie hatten sich seit Claires Operation nicht gesehen und einander viel zu erzählen gehabt.
    Am unteren Ende der Treppe, in dem Gang, der vorne auf den Bahnsteig führte, hörte sie ungewöhnliche Geräusche. Sie blieb stehen, lauschte angespannt. Da schrie jemand. Zwei Leute, die Schreie ausstießen, deren Aggressivität einen erschaudern ließ. Dazu dumpfe Schläge, wieder und wieder.
    Auch das noch. Eine Prügelei.
    Irmina Shahid überlegte. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre wieder gegangen, letzte Bahn hin, letzte Bahn her. Sie zog es vor, derlei hässlichen Dingen aus dem Weg zu gehen.
    Andererseits war das nicht richtig. Wenn alle so handelten, war es kein Wunder, dass solche Dinge immer öfter vorkamen.
    Ihr Blick blieb wie von selbst auf einem uralten, schmierig aussehenden Notrufkasten hängen. Sie konnte die Polizei rufen. Ungern, weil sie aus Erfahrung wusste, was das für Unannehmlichkeiten nach sich zog, aber das war etwas, das sie tun konnte.
    Jetzt hörte sie auch jemanden stöhnen.
    Sie schlich an der Wand entlang, die von oben bis unten vollgeklebt war mit Konzertplakaten, Wohnungsgesuchen und Ankündigungen von Flohmärkten. Vorne angekommen, spähte sie behutsam um die Ecke.
    Tatsächlich. Auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig traten zwei Jugendliche auf einen alten Mann ein, der am Boden lag, die Hände vor dem Kopf, und nur noch zuckte, wenn ihn die Stiefel trafen. Sie hörten nicht auf, schrien und traten, schrien und traten …
    Irmina Shahid fuhr zurück, lehnte sich für einen Moment gegen die Wand. Ihr Herz schlug auf einmal wie wild. Gewiss, die Gleise lagen zwischen ihr und den beiden Schlägern, aber was hieß das schon?
    Sie musste etwas tun. Sie griff in ihre Handtasche, kramte darin und zog ihr Handy heraus.
    So also würde er sterben. Das war alles, was Erich Sassbeck denken konnte. Dass dies sein letztes Stündlein war, wie man so sagte.
    Auch wenn er sich das freilich anders
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