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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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So hatte sie es gemacht. Und nun war sie froh, dass gleich zwei Lampen auf einmal aufleuchteten und sie keine Zeit mehr hatte, sich Sorgen zu machen.
    Später kam Dagmar von Chirurgie II herüber, der Nachbarstation. »Hat dich Doktor Schneider erreicht?«
    »Nein, wieso?«
    »Er braucht ein Einzelzimmer für einen Notfall. Ihr habt eins gemeldet.« Sie ächzte. »Wir sind mal wieder total voll, sogar im Bad liegt einer. Ich dreh bald durch.«
    »Ich war auf Glocke«, sagte Theresa, während sie so tat, als studiere sie den Belegungsplan. »Was ist denn passiert?«
    »Ein alter Mann, den sie in der U-Bahn-Station Dominikstraße zusammengeschlagen haben«, sprudelte Dagmar heraus. »Rippenfrakturen und mehr Hämatome als heile Haut, hat Doktor Schneider gesagt. Aber wohl nichts Lebensbedrohliches, jedenfalls soll er heute Nacht noch auf Station verlegt werden.«
    Sie hatten zwei Einzelzimmer, und eins davon war tatsächlich frei; Theresa hatte es zu Beginn der Nachtschicht selber gemeldet.
    Ein bisschen voreilig.
    »Die Elf ist nicht mehr belegt«, gestand sie. »Bloß sieht es da drin aus wie Schwein. Der Patient ist erst gestern Nachmittag gestorben; seine ganzen Sachen sind noch da, Verbandsmaterial liegt rum, das Bett ist nicht frisch …«
    »Ich helf dir aufräumen«, bot Dagmar an.
    »Nein, du hast ja auch deine Patienten«, wehrte Theresa ab. »Ich krieg das schon irgendwie hin.«
    »Auch gut«, erwiderte Dagmar.
    Es verletzte Theresa ein bisschen, dass Dagmar ihr Angebot derart schnell annahm. Als sei es eine Selbstverständlichkeit. Dagmar, sagte sie sich, hatte noch nicht begriffen, dass es im Beruf der Krankenschwester vor allem darauf ankam, zu geben . Und sich selber und die eigenen kleinen Wünsche zurückzustellen.
    Sie zögerte. »Da hält dann ein Polizist Wache, oder?«
    »Ich denk schon. Der, der jetzt vor Intensiv sitzt.«
    Später, als Theresa das Zimmer hergerichtet hatte, erschöpft im Stationszimmer saß und nur noch auf den Patienten warten musste, erwog sie, die Schachtel wieder zurück in den Schrank zu tun. Vielleicht war das Risiko doch zu groß.
    Andererseits stand die Packung bereits als »abgelaufen und entsorgt« in der Liste. Den Eintrag konnte sie nicht streichen, ohne dass jemand Fragen stellen würde.
    Außerdem brauchte sie die Tabletten.
    Ach, es würde sie schon niemand durchsuchen. Die waren wegen des alten Mannes hier, Punkt. Sie würde ihren Dienst zu Ende machen und nach der Übergabe einfach gehen wie immer. Und so tun, als sei nichts.
    Ulrich Blier parkte am äußersten Ende des vor der Zufahrt zur Kaserne gelegenen Parkplatzes, schaltete den Motor und die Scheinwerfer ab und blieb noch einen Moment hinter dem Steuer sitzen. Er war müde, nein, richtiggehend erschöpft.
    Es war Wahnsinn, was er trieb. Völliger Wahnsinn.
    Aber es half nichts, sich das zu sagen. Er konnte einfach nicht anders.
    Er gab sich einen Ruck, stieß die Tür auf, stieg aus. Holte seinen langen, schwarzen Mantel vom Beifahrersitz, schlüpfte hinein. Drückte die Tür wieder zu, so leise wie möglich, wartete. Merkte, dass er den Atem anhielt.
    Bewegung in der Dunkelheit hinter dem Maschendrahtzaun. Endlich.
    »Ulrich!« Theos Stimme. Sie klang erleichtert. »Ich dachte schon …«
    »Sorry, ist ein bisschen später geworden.« Ulrich Blier dachte daran, warum es später geworden war. »Hat jemand was gemerkt?«
    »Natürlich nicht «, erwiderte Theo. »Was denkst du, was sonst los wäre?« Schlüsselklappern, dann öffnete sich die schmale Tür im Zaun.
    Blier holte die Schachtel aus der Manteltasche, eingewickelt in Geschenkpapier, und reichte sie ihm. »Hier. Kleines Mitbringsel. Außerdem hast du jetzt was gut bei mir.«
    Theo machte große Augen. »Ist das etwa –?«
    »Na klar«, sagte Ulrich Blier.
    Er spürte seine Müdigkeit wie eine schwere Last im ganzen Körper. Der Tag morgen würde eine Qual werden.
    Aber das war die Sache wert gewesen.
    Alles war weiß, und ein Frauengesicht schwebte über ihm, das ihn im ersten Moment an seine Hertha erinnerte. Aber es war nicht Hertha, es war eine Ärztin.
    »Herr Sassbeck?«, sagte sie. »Verstehen Sie mich?«
    Schade, dass es nicht Hertha war. Hertha hatte daran geglaubt, in den Himmel zu kommen. Sie hatte es für sich behalten, um ihm keine Schwierigkeiten zu machen, aber er wusste, dass sie daran geglaubt hatte.
    »Herr Sassbeck?«
    Ach so. Richtig. Die Frau wartete auf eine Antwort. Er bewegte seinen Unterkiefer, der sich seltsam taub
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