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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse
Autoren: Aufbau
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und Silber? Da hätten wir ja einen Glückstreffer gelandet.«
    Einer der Leute rief noch: »Soll ich die Laterne vom Pferd nehmen?«
    »Ja, kannst du. Der Klepper war gut, hat uns das Schiff ans Ufer gelockt.«
    »Wo hast du den Trick her?« Der Mann, der den armen Coros erschlagen hatte, schien damit beschäftigt, das Blut von seiner Keule im Sand abzureiben.
    »Trick? Eine am Kopf eines Pferdes befestigte Laterne, die auf und nieder schwankt, kann man im Dunkeln leicht für eine Schiffslaterne halten. Na ja, ist ein ganz guter Trick. Hab ich vom Meister. Achte drauf, daß die Leute alles, was sie finden, |24| im Turm verstauen. Sobald der Morgen dämmert, müssen wir von hier abhauen. Die Beute können wir uns später holen.«
    »Warum können wir nicht hier bleiben und die Sache gleich ordentlich bereinigen?« muckte einer der Männer auf.
    »Willst du die Befehle des Meisters in Frage stellen?« fuhr ihn Olcán an.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Aber warum …?«
    »Weil wir einen Treff am Küstenweg haben. Der Meister wird bald hier sein. Will sich davon überzeugen, daß wir die Verabredung einhalten. Los jetzt, bringt das Strandgut in die Burg und ruht euch eine Weile aus. Es wird bald Tag, und wir haben einen langen Ritt vor uns.«
    Er wendete sich zum Gehen, doch einer aus seiner Bande hielt ihn zurück.
    »Müßten wir hier nicht noch alles nach weiteren Überlebenden absuchen?«
    Lachend wehrte Olcán ab.
    »Die wenigen, die am Leben geblieben sind, werden sich auf diesen günstigen Strich Sandstrand gerettet haben. Das ist die einzige Stelle, wo man mit einigem Glück an Land kann. Alle anderen werden die Wellen auf die Klippen geschleudert haben, die sind mausetot. Überlebende gibt es nicht, das kannst du vergessen. Und sollte doch einer davongekommen sein, den finden wir, sobald es hell wird.«
    Entsetzt kroch Esumaro weiter ins dichte Unterholz, spürte nicht einmal die stachligen Brombeerzweige. Er versuchte, sich so klein wie möglich zu machen, wäre am liebsten ganz im Erdboden versunken. Ein Blick zum Himmel weckte seine Energie. Er mußte von hier fort, noch ehe die Kerle da die Gegend nach Überlebenden absuchten. Die würden ihn genauso kaltblütig umbringen wie den armen Coros.
     
    |25| Es wurde schon hell, als Esumaro wieder zu sich kam. Verschwommen erinnerte er sich, daß er im Dunkeln davongehastet war, hinter Schilfbüscheln und Buschwerk Schutz gesucht hatte, durch eine überschwemmte sandige Senke gewatet war. Schiere Angst hatte ihn vorwärtsgetrieben, Angst vor denen, die seinen Steuermann Coros erschlagen und seine ganze Mannschaft zu Tode gebracht hatten. Allmählich begriff er, daß Schurken in voller Absicht sein Schiff hatten stranden lassen. Nur wegen der zu plündernden Fracht. Was für Barbaren lebten in diesem gottverlassenen Landstrich! Empörung und Wut mischten sich in seine Furcht, spornten ihn an, so weit wie möglich von dieser schaurigen Küste wegzukommen, ehe die Sonne aufging. Coros’ Schicksal wollte er auf keinen Fall erleiden. Wenn die Angst nachließ, so schwor er sich, würde er Helfer finden, um an den elenden Schuften Rache zu nehmen, die dieses entsetzliche Verbrechen begangen hatten.
    Grelles Licht blendete ihn. Seine Kleider waren gefroren. Es dauerte, bis er begriff, was ihn so blendete: Er lag auf einer ausgedehnten Schneefläche. Sogar die Äste der Bäume bogen sich unter der weißen Last. Er fühlte sich schwach und fror erbärmlich. Als er stöhnend versuchte, sich zu bewegen, drang der aufgeregte Ruf einer Frau an sein Ohr.
    »Ich glaube, er lebt, Ehrwürdige Mutter.«
    Esumaro blinzelte gegen das gleißende Weiß und strengte sich an, klar zu sehen. Das schmerzte.
    Eine junge Frau beugte sich über ihn. Unter einem schweren Pelzumhang trug sie die braune Wollkutte einer Ordensschwester. An einer Lederschnur hing ein Metallkreuz von ihrem Hals.
    Ein paar Schritte weiter standen sechs Frauen, die ebenso gekleidet waren und beunruhigt zu ihm herüberschauten. Die meisten waren jung.
    |26| Die eine, die bei ihm war, wandte sich um und rief ihnen fast freudig zu: »Wirklich, er lebt!«
    Esumaro versuchte, sich aufzurichten und auf einen Ellenbogen zu stützen. Eine der abseits Stehenden, eine großgewachsene, gutaussehende Frau in mittleren Jahren, kam zu ihrer jungen Gefährtin herüber und betrachtete ihn. Ihr Kreuz war kunstvoller, sie lächelte und beugte sich herab.
    »Wir glaubten, du bist tot«, sagte sie einfach. »Wieso liegst du hier
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