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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
Autoren: Michael Böckler
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anders gekommen: Sein Vater hatte sich mit der Aufrechterhaltung des Schlosses und Modernisierung des Weingutes hoch verschuldet, hatte schließlich keinen anderen Ausweg gesehen, als sich im Weinkeller zu erhängen. Wenige Jahre später war Emilios Mutter gestorben – wäre es kein Klischee, würde man sagen: an gebrochenem Herzen! Seine Mutter stammte aus Italien, deshalb hatte er den Vornamen Emilio erhalten. Jedenfalls war es nach dem Tod seines Vaters vorbei mit dem schönen Leben. Die Familie war bankrott, Schloss und Weingut hatten den Besitzer gewechselt. Damit war auch Emilio geld- und mittellos geworden. Ein unerfreulicher Zustand, an den er sich erst gewöhnen musste.
    Fortan hatte sich Emilio in vielen Jobs versucht, er hatte als Repräsentant für eine Weinhandelsfirma gearbeitet, sich als Anlageberater betätigt und als Leiter des Weinkellers eines Luxushotels. Schließlich hatte er alles hingeschmissen und für ein Jahr in einer Strandhütte auf Bali gehaust, um auf der Insel der Götter über den Sinn des Lebens nachzudenken – ohne durchschlagenden Erfolg.
    Nach Deutschland zurückgekehrt, war er von einem alten Freund gebeten worden, ihm bei einem Problem zu helfen, das sich rasch zu einem veritablen Kriminalfall entwickelt hatte. Wie es der Zufall wollte, war es Emilio gelungen, selbigen aufzuklären, einen Mord zu verhindern, gestohlenes Geld wiederzubeschaffen und seinem alten Kumpel damit einen großen Dienst zu erweisen. Emilio wusste auch nicht, wie er das zustande gebracht hatte, aber offenbar hatte er Talent dafür, Zusammenhänge zu erkennen, die anderen verborgen blieben, er war ein exzellenter Beobachter und verfügte über ein großes, gelegentlich chaotisches Wissen. Wahrscheinlich half es, dass er grundsätzlich an das Schlechte im Menschen glaubte und manche Abgründe aus persönlicher Erfahrung kannte. Jedenfalls hatte sich sein Erfolg als «privater Ermittler» rasch herumgesprochen, und er hatte weitere Aufträge bekommen. Erbschaftsangelegenheiten, Betrügereien, Seitensprünge, Vermisstenfälle … Die Aufträge ergaben sich anfangs wie von selbst, sein großer Bekanntenkreis erwies sich als unerschöpfliches Reservoir. Also hatte Emilio den Wink des Schicksals angenommen und arbeitete seitdem als freischaffender Privatdetektiv. Wohl nicht gerade das, was sich sein Vater für seinen Sprössling vorgestellt hatte, aber der Papa hätte sich ja auch nicht im Weinkeller erhängen müssen!
    Und heute? Emilio war an Jahren älter, hatte die fünfzig überschritten, er hatte sich den Leichtsinn eines Zwanzigjährigen bewahrt, kombiniert mit der Lebenserfahrung eines Hundertjährigen. Er arbeitete weiter als Privatdetektiv, wobei die Aufträge mittlerweile nur noch unregelmäßig eintrudelten. Außerdem nahm er sich die Freiheit, nicht alle anzunehmen. Am liebsten waren ihm Projekte, die etwas mit Wein zu tun hatten, wo ihn die Recherchen vielleicht sogar in Weinbaugebiete im In- und Ausland führten. Aber diese Aufträge waren leider selten. Die schöpferischen Pausen zwischen den Ermittlungstätigkeiten entsprachen seinem Lebensgefühl, konfrontierten ihn aber regelmäßig mit finanziellen Problemen. Auch diese wusste er mit fatalistischem Gleichmut hinzunehmen. Dass ihn vor einigen Jahren seine Frau verlassen hatte, störte ihn nur selten, außerdem konnte er sie verstehen. Er hätte es an seiner Seite auch nicht ausgehalten.
    Der Gehstock und sein leichtes Hinken? Je nach Laune erklärte er seine Behinderung mit einem Jagdunfall, einem Flugzeugabsturz – oder er machte einen betrogenen Ehemann dafür verantwortlich. Tatsächlich hatte er sich betrunken beim Reinigen einer Waffe selbst ins Bein geschossen. Aber das musste keiner wissen.
    Sein Büro hatte Emilio im Hinterzimmer besagter Weinhandlung. Wie und warum es ihn nach München verschlagen hatte, konnte er auch nicht erklären, da hatte wieder mal der Zufall Regie geführt. Egal, er fühlte sich in der Stadt an der Isar sehr wohl. Bei schönem Wetter verbreitete sie italienisches Flair. Mit Frank, dem Besitzer der Weinhandlung, war er befreundet, er musste für seinen Büroraum nur wenig Miete bezahlen, dafür half er bei Bedarf im Verkauf. Er tat das eher widerwillig. Und Frank warf ihm vor, dass seine Beratungsgespräche gelegentlich geschäftsschädigend waren. Konnte er was dafür, dass manche Kunden einfach keine Ahnung hatten und mit Mühe einen Rotwein von einem Weißwein unterscheiden konnten? Und das nur mit
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