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Tod in Garmisch

Titel: Tod in Garmisch
Autoren: Martin Schueller
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des
Polizeiobermeisters.
    Der Werkzeugmaschinenherstellerbetriebsratsvorsitzende
hatte in der Früh um fünf beim Nachtportier – also Andi – nach der
diensthabenden Nachtapotheke gefragt und auf Andis Angebot, ihm zu besorgen,
was immer die Apotheke liefern könne, geantwortet, er fahre lieber selbst. Andi
hatte ihm dann die Adresse der Dreitorspitzapotheke genannt, und der Mann war
in seinen Mercedes gestiegen und losgefahren.
    »Und das war’s dann auch«, endete Andi. »Dann war er
weg.«
    »Und das Gepäck?«, fragten Magdalena und
Polizeiobermeister Kurtmann wie aus einem Mund.
    »Deswegen hab ich mir ja nichts dabei gedacht«, sagte
Andi. »Aber sehen Sie selbst …«
    Er führte Magdalena und die beiden Beamten die Treppe
hinauf in das Zimmer des Gewerkschafters. Es war leer. Mit einem Blick ins Bad
stellte Magdalena fest, dass sogar die Handtücher fehlten. Der Schrank und das
gartenseitige Fenster standen offen.
    »Da unten …«, sagte Andi. Magdalena und Kurtmann sahen
hinaus. Auf dem noch taufeuchten Rasen waren Einschlagspuren zu sehen.
    »Die Koffer hat er aus dem Fenster hinaus, dann ums
Haus herum und dann ins Auto«, sagte Andi auf seine unbeholfene Art.
    »Und was schuldet der Mann Ihnen?« Zum ersten Mal
mischte sich der andere Beamte ein.
    Und stellt die erste wichtige Frage, dachte Magdalena.
    »Viertausenddreihundertachtundfünfzig Euro«,
antwortete sie.
    »Und dreiundvierzig Cent«, setzte Andi hinzu.
    Die beiden Polizisten sahen sich an und nickten
respektvoll.
    » Das ist eine Zahl«, sagte der zweite, der
nicht Kurtmann hieß, sich aber auch noch nicht vorgestellt hatte.
    »Der hat aber auch alles gebucht, was wir anbieten«,
sagte Magdalena. Bergführer, Hüttenaufenthalte, Gleitschirmunterricht – was
immer gewünscht wurde, organisierte das »Lenas« für seine Gäste und ging dabei
in Vorleistung.
    Normalerweise rechnete sich das am Ende. Aber nur
normalerweise.
    Plötzlich hörte Magdalena durch die offene Tür das
entfernte »Dingdong« der Tresenglocke im Foyer. Hier oben im ersten Stock war
es kaum hörbar, aber seit ihrer Ausbildung war dieser Ton für sie immer so laut
wie die Alarmsirene auf einem U-Boot.
    »Entschuldigen Sie mich«, sagte sie und eilte die
Treppe hinunter. Auf dem mittleren Absatz bremste sie ab, fuhr sich
kontrollierend durch die Haare und schritt dann gesetzt weiter.
    Vor dem Tresen stand ein Mann.
    Wenn Magdalena während der Arbeit etwas durch den Kopf
ging, dann waren es professionelle Gedanken. Anderes ließ sie nicht zu. (»Genau
wie dein Großvater«, hatte ihre Mutter gesagt, als sie ihr einmal davon erzählt
hatte.)
    Aber dieser Mann lehnte in einer derart lässig-coolen
Art am Empfangstresen, dass ihre professionellen Gedanken ihn sofort zu einem
Zechpreller stempelten. Sie wusste ja jetzt, wie die aussahen. Obwohl der
vorletzte, mit dem sie es zu tun gehabt hatte, ganz anders ausgesehen hatte als
der Betriebsratsvorsitzende.
    Der Mann am Tresen sah ihr freundlich entgegen. Aber
in seinem Blick stand zugleich die Botschaft, dass er Freundlichkeit eigentlich
nicht nötig hatte.
    Der Mann konnte auch anders.
    Er war schlank und einen Kopf größer als Magdalena,
was ihr grundsätzlich immer gefiel. Er hatte dichtes, kurz geschnittenes
dunkles Haar und trug zu ihrem Bedauern eine sehr dunkle Sonnenbrille. Sie
schätzte ihn auf Ende dreißig. Sein Anzug wirkte schlicht, aber umwerfend: Der
dunkelgraue, leicht grobe Stoff fiel elegant und dabei wie unabsichtlich an ihm
herab. Und er trug einen Gehrock, was sie bei den meisten Männern affig fand;
aber der Mann machte den Eindruck, als trage er selbstverständlich nie etwas
anderes.
    »Grüß Gott«, sagte Magdalena und trat hinter den
Tresen. »Was können wir für Sie tun?«
    Eigentlich hatte sie diesen Satz wegen übergroßer
Abnutzung aus ihrem Repertoire gestrichen. Aber nach einem frühen Vormittag mit
einem schießwütigen Großvater und einem Zechpreller hatte sie gerade keine
bessere Phrase parat.
    »Ein Maximenü mit ‘ner Cola«, antwortete der Mann denn
auch prompt, und Magdalena musste sich zu einem Lächeln zwingen, das weit
verkrampfter ausfiel als beabsichtigt.
    Aber dann nahm der Mann seine Sonnenbrille ab.
    Als Magdalena in die braunen, von goldenen Sprenkeln
durchsetzten Augen blickte, war es ihr egal, ob er ein Zechpreller oder ein
Proktologe war.
    »Entschuldigen Sie den schlechten Scherz bitte; er ist
mir so rausgerutscht«, sagte er. »Kant. Jo Kant. Ich hatte
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