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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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ihren
Schädelknochen traf. Das Brechen des Knochens hörte sie schon nicht mehr.
    In blinder Wut schlug der Mann noch zweimal zu,
während Anne Dahl in sich zusammensank und ihre Hand dabei vom Hinterkopf ihrer
Tochter abrutschte. Im Fallen verkrampften ihre Finger und fuhren am Hals des
Kindes entlang. Tiefe blutige Striemen zeichneten sich dort ab.
    Erschrocken sah Lisa, dass ihre Mutter
zusammengekrümmt vor ihren Füßen lag. Dann blickte sie zu dem Mann hoch, der
immer noch den Golfschläger in der erhobenen Hand hielt.
    Es dauerte einige Herzschläge, dann fing die Kleine an
zu schreien.
    »Bist du ruhig«, keuchte der Mann und schlug jetzt auf
das Kind ein, dabei immer wieder hervorstoßend: »Bist du ruhig. Bist du ruhig
…«
    Plötzlich war es still. Totenstill! Der Mann sah auf
die beiden mensch- lichen Wesen zu seinen Füßen.
    »O Gott«, jammerte er, bückte sich und schüttelte Anne
an den Schultern. »Steh wieder auf, steh bitte wieder auf.«
    Dann schüttelte er sich, als müsse er eine große Last
von sich abwerfen, sich irgendwie befreien.
    »Du hast selbst Schuld«, sagte er zu der jungen Frau.
»So darf man einen von Dirschau nicht behandeln, so nicht …«
    *
    Von Dirschau sah Christoph an, der ihm die ganze Zeit
über stumm gefolgt war.
    »Darf ich um ein Glas Wasser bitten?«
    Während von Dirschau vorsichtig das Glas Wasser an die
Lippen setzte, tauchten vor Christoph noch einmal die grauenvollen Bilder auf: die junge Frau, halb im Graben versunken, das Gesicht im Brackwasser
untergetaucht. Wie die Obduktion ergeben hatte, war sie trotz der massiven
Gewalteinwirkung nicht tot gewesen und ertrank erst später im Wasser.
    Körperverletzung mit Todesfolge nannten das die
Juristen. Bei einem guten Verteidiger würde der Täter mit einer zeitlich
befristeten Strafe davonkommen.
    Das galt auch für den Tod des kleinen Mädchens. Auch
hier konnte er sich nicht von den Bildern frei machen, die vor seinem geistigen
Auge auftauchten. Die Feldscheune, die Strohballen in der Ecke, dahinter das,
was von diesem jungen Leben übrig geblieben war. Totschlag im Affekt. Kein
Mord! In wenigen Jahren würde der Mann wieder seine Freiheit genießen können,
während zwei junge Menschenleben für immer erloschen waren.
    Von Dirschau setzte das Wasserglas auf dem
Schreibtisch vor sich ab. Er war immer noch von seinem Herzanfall gezeichnet.
    »Da stand er plötzlich vor mir, mein Sohn Ralf! Er war
völlig am Boden zerstört. Vater, sagte er zu mir, ich habe etwas Schreckliches
getan.«
    Von Dirschau ließ seinen Kopf auf die Brust
herabfallen. Reglos verharrte er in dieser Stellung einige Minuten. Als er sich
wieder aufrichtete, hatten sich seine Augen mit Tränen gefüllt.
    »Was sollte ich denn machen? Als Vater? Mein einziges
Kind! Ich musste ihm doch helfen!«
    Dann schilderte er, wie er mit seinem Sohn die beiden
Opfer versteckt hatte. Sie nutzten dazu den dunkelblauen VW -Kombi, weil dieser zufällig vor der Garage
stand. Zuerst hatten sie Anne Dahl zu der Stelle gebracht, an der sie später
von dem Hund des Spaziergängers aufgespürt wurde. Für das Kind wählten sie eine
andere Stelle aus, da sie nicht noch einmal in die Nähe des Ortes fahren
wollten, an der sie die Mutter abgelegt hatten.
    »Warum sind Sie zweimal gefahren?«, wollte Christoph
noch wissen.
    Von Dirschau zuckte mit den Schultern. »Das kann ich
Ihnen nicht sagen. Dafür gibt es in einer solchen Situation keine logische
Erklärung.«
    *
    Ralf von Dirschau hielt sich noch in Marschenbüll auf.
Dort wollten sie ihn verhaften. Sein Vater bat darum, dabei sein zu dürfen. Er
hatte versichert, seine Gegenwart würde besänftigend auf den Sohn wirken.
    »Den beruhige ich ganz allein, ausschließlich nach
meiner Methode«, hatte Große Jäger geknurrt, doch niemand war auf diese
Bemerkung eingegangen.
    Es war jetzt sechzehn Uhr, aber bereits stockfinster.
Der Sturm heulte um das Haus und trieb eine dichte Schneewand vor sich her.
    Mehmet Yildiz, der während der ganzen Zeit fassungslos
den Ausführungen des Gutsbesitzers gelauscht hatte, fragte vorsichtig, ob er
weiter in Haft bleiben müsse.
    »Natürlich sind Sie ab sofort frei«, erwiderte
Christoph.
    Heute, am Heiligabend, würde allerdings kein Bus mehr
nach Marschenbüll fahren. So sah Christoph es als Verpflichtung an, den Mann
mitzunehmen.
    Sie wollten gerade aufbrechen, als das Telefon
klingelte. Christoph wollte nicht abnehmen, aber Mommsen hatte bereits den
Hörer in der Hand. Er
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