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Tod im Pfarrhaus

Tod im Pfarrhaus

Titel: Tod im Pfarrhaus
Autoren: Helene Tursten
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einen Überzug zu kaufen, aber daraus war irgendwie nie was geworden.
    Andersson ließ sich in seinen bequemen Ledersessel sinken. Ein Geschenk zu seinem Fünfzigsten, das er sich selbst gemacht hatte. Vor ihm auf dem fleckigen Couchtisch aus Teakholz stand die halb leere Bierdose.
    »Okay. Du willst mir was erzählen. Hier bist du unter Freunden«, sagte Andersson jovial und grins te über seinen eigenen Scherz.
    Georg schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass es hatte lustig klingen sollen. Verlegen räusperte er sich.
    »Es geht um Jacob Schyttelius. Das hat natürlich nichts mit den Morden zu tun. Sowohl ich als auch der Vater fanden, dass es das Beste sei, die Sache auf sich beruhen zu lassen … sie sollte sozusagen mit Jacob sterben. Der Schaden würde nur umso größer, je mehr man darin herumstochern würde. Und Jacob ist ja, wie gesagt, tot. Er kann sich nicht mehr verteidigen. Und für sie ist es sicher auch das Beste so. Kinder vergessen ja schnell.«
    Verwirrt verstummte er und sah seinen Cousin Hilfe suchend an. Andersson verstand nur Bahnhof, und da ihm nichts Besseres einfiel, nahm er einen Schluck aus seiner Bierdose. Was wollte ihm Georg sagen? Etwas über Jacob Schyttelius und ein Kind. Nachdenklich stellte er die blaue Dose wieder ab.
    »Wie wäre es, wenn du ganz von vorne anfängst? Am besten auch in der richtigen Reihenfolge.«
    »Klar. Natürlich.«
    Georg zog eine unsichtbare Falte seines perfekt gebügelten Hosenbeins gerade und räusperte sich erneut.
    »Ich finde es ganz richtig, dass ich dir davon erzähle … irgendwie hat es meinem Gewissen doch zu schaffen gemacht … auch wenn es für die Morde ohne Bedeutung ist … natürlich. Also zur Sache. An dem Montag, an dem Jacob erschossen wurde - aber das war natürlich sehr viel später am Abend -, kam der Vater einer unserer Schülerinnen zu mir. Er wartete vor dem Sekretariat auf mich, als ich am Morgen zur Arbeit kam. Er war außer sich. Was nur verständlich ist, wenn es stimmt, was er behauptet. Aber das wissen wir schließlich nicht. Sie kommen aus einer anderen Kultur, in der das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer sehr strikt und autoritär ist. Sie verstehen das mehr informelle Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern in den schwedischen Schulen möglicherweise falsch …«
    Andersson hatte sich kerzengerade aufgesetzt.
    »Wo stammen sie denn her?«, unterbrach er seinen Cousin barsch.
    »Aus Syrien. Christliche Syrer«, erwiderte Georg mit schwacher Stimme.
    »Wieso war der Vater denn so außer sich?«
    Georg rutschte auf dem unbequemen Sofa hin und her. Offenbar fühlte er sich nicht wohl, weder was seinen Platz anging noch seine Situation.
    »Er hat behauptet, seine Achtjährige hätte am Wochenende einen Zusammenbruch erlitten. Sie habe gesagt, Jacob hätte sie zu ›hässlichen Sachen‹ gezwungen.«
    »Was für hässlichen Sachen?«
    »Der Vater sagte, Jacob hätte ihr sein ›Ding‹ gezeigt und sie gezwungen, sich auszuziehen. Dann hätte er sie … angefasst.«
    »Wo war das?«
    »In der Schule. Nach dem Unterricht. Jacob soll sich erboten haben, dem Mädchen Nachhilfe zu geben. Sie hat Probleme mit der Sprache und ist ziemlich still. In Mathematik war sie weit zurück.«
    Andersson sah seinen Cousin in dem eleganten hellgrauen Anzug lange an. Schließlich sagte er lang sam und mit Nachdruck: »Du dummes Arsch!«
    Georg zuckte zusammen, schwieg aber.
    Erregt stand Andersson auf und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Begreifst du, was du getan hast? Du hast wichtige Informationen in einer Mordsache zurückgehalten! Das ist strafbar! Das ist verdammt noch mal ein Mordmotiv, was du da verschwiegen hast!«
    Dann war Andersson gezwungen, Atem zu holen. Georg versuchte, sich zu verteidigen:
    »Aber Jacob hat geleugnet. Er beteuerte seine Unschuld. Das Mädchen hätte sein Entgegenkommen missverstanden. Sie hätte bei ihm auf dem Schoß sitzen wollen. Sie hätte so eine Zuneigung zu ihm gefasst. Er hätte alle ihre Zärtlichkeiten zurückweisen müssen. Vielleicht hätte sie sich eingebildet, da sei mehr, oder sich an ihm rächen wollen.«
    Andersson sah seinen Cousin finster an.
    »Eine Achtjährige?«, fragte er trocken.
    »Tja … Kinder lügen.«
    »Wie reagierte Jacob auf die Anschuldigung, er hätte sie gezwungen, sich auszuziehen?«
    »Natürlich war er vollkommen entsetzt. Er hat mehrmals versichert, er sei unschuldig. Es graute ihm vor einer Ermittlung. Was würden seine El tern sagen? Sein Vater war
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