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Tod im Pfarrhaus

Tod im Pfarrhaus

Titel: Tod im Pfarrhaus
Autoren: Helene Tursten
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Ahnung davon gehabt, dass Rebeckas Mutter an Depressionen litt. Natürlich fragte ich mich, warum es Rebecka so schlecht ging, und hatte auch irgendwie das Gefühl, dass es mit der Arbeit für Rädda Barnen zu tun haben könnte. Wir sprachen eines Abends darüber, und plötzlich begann Rebecka, mir alles zu erzählen.«
    Rebecka wimmerte leise, aber Christian sagte nur:
    »Doch, Liebling.«
    Er sah rasch in ihre Richtung und sprach dann wie vorher weiter:
    »Als Eintrittskarte in den Pädophilenring musste jeder Teilnehmer eigenes Material beisteuern. Einer der Teilnehmer, den wir unseren Auftraggebern gegenüber nicht identifizierten, nannte sich Peter. Er lieferte uns diesen Film hier.«
    Christian hackte auf die Tastatur ein, die vor ihm lag, und plötzlich flimmerte der Monitor.
    Irene wurde schlagartig übel. Sie sahen einen erwachsenen Mann, der von hinten in ein kleines Mädchen eindrang, das auf allen Vieren stand. Natürlich war sein Gesicht nicht zu sehen. Sie war etwa sieben oder acht. Das Kind stand unbeweglich wie ein Tier auf der Schlachtbank. Nur das Hin und Her des Mannes brachte ihren Körper in Bewegung. Langsam drehte sie ihren Kopf zur Seite und schaute in die Kamera.
    Die Einsicht überfiel Irene wie ein Schock. Sie bekam fast keine Luft mehr. Ehe sie sich noch sammeln und etwas sagen konnte, flüsterte Glen neben ihr:
    »Das ist Rebecka. Der Mann, der sich an ihr vergeht, ist ihr Vater. Und hinter der Kamera steht wahrscheinlich ihr Bruder Jacob.«
    Jetzt war Christian wieder im Bild. Sein Gesicht schien wie aus Stein gehauen. Seine Stimme klang vollkommen mechanisch.
    »Rebecka war acht, als dieser Film gedreht wurde. Jacob war vierzehn. Sein Vater und er hatten sich an ihr vergangen, seit sie fünf war. Sten Schyttelius verlor das Interesse, als sie elf wurde, da sie recht früh in die Pubertät kam. Hingegen nahm das Interesse ihres Bruders nicht ab. Im Gegenteil. Er missbrauchte sie systematisch, bis er zum Militär eingezogen wurde, irgendwo weit oben in Nordschweden. Da war Rebecka dreizehn und hatte bereits eine Abtreibung hinter sich. Ihr Vater hatte ihr eingeredet, dass sie der Zorn Gottes treffen würde, wenn sie jemandem davon erzählen würde, denn laut den Zehn Geboten soll man seinen Vater und seine Mutter ehren. Das galt wohl auch für den Bruder.«
    Christian blieb die Stimme weg, aus Wut, vielleicht auch aus Trauer. Dann drang es wie ein trockenes Schluchzen tief aus seiner Kehle.
    »Rebeckas Mutter wusste die ganze Zeit, was Sa che war, unternahm aber nichts, um ihr zu helfen. Sie flüchtete sich in ihre Depressionen. Und der Herr Pfarrer nützte das weidlich aus. Er erzählte Rebecka, dass sie zur Verfügung stehen müsse, schließlich könne man ihrer armen Mutter so was nicht zumuten. Sie sei zu krank und gebrechlich. Die kleine Rebecka solle schön den Mund halten und allen in der Familie zu Willen sein.«
    Er verstummte erneut und schaute starr in die Kamera. Ohne eine Miene zu verziehen, nahm er einen großen Schluck aus seinem Glas. Mit tonloser Stimme sagte er:
    »Jetzt sehen wir ›Pan‹ in Aktion.«
    Wieder flimmerte der Bildschirm. Dieses Mal sahen sie, wie ein weißer Mann Geschlechtsver kehr mit einem kleinen afrikanischen Mädchen hatte. Ihre Augen waren ebenso groß und entsetzt, wie es die von Rebecka gewesen waren. In ihnen standen Tränen, aber sie weinte nicht. Es war fürchterlich, die Angst und die Schmerzen zu beobachten, die sich in diesen aufgerissenen Augen spiegelten. Sie war sehr mager und höchstens sieben Jahre alt.
    Der Film wurde abgebrochen, und Christian erschien wieder auf dem Bildschirm.
    »Pan identifizierten wir als Jacob Schyttelius. Re becka begriff sofort, dass Jacob und ihr Vater sich an Kindern vergangen hatten, als sie im September auf Kosten der Kinderdörfer in Afrika gewesen waren. Dieser Film tauchte nur wenige Tage nach ihrer Rückkehr bei dem Pädophilenring auf.«
    Er brachte eine ironische Grimasse zu Wege, sah dann aber sofort wieder traurig und resigniert aus.
    »Das gab Rebecka den Rest. Es ging ihr immer schlechter, und sie musste zum ersten Mal stationär behandelt werden. Danach war … nichts mehr wie vorher. Sie ertrug keinen Sex mehr, sie ertrug nicht einmal mehr meine Berührung, sie … entglitt mir. In gewissen Perioden ging es ihr besser, und sie konnte arbeiten, aber zwischen uns … funktionierte es nicht mehr. Natürlich liebte sie mich noch … aber ich drang nicht mehr zu ihr durch. Sie hatte mit ihren
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