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Tod Im Anflug

Titel: Tod Im Anflug
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mir die Wunde in seiner Brust näher angesehen. Es war ein tiefes Loch und es sah so aus, als hätte jemand mit einem kräftigen Ruck einen Teil aus der Brust herausgerupft. Leider blieb mir nicht viel Zeit zur Begutachtung, denn plötzlich kam Jupp, der Hafenmeister, auf seinem Kontrollgang vorbei und entdeckte Neptunus. Er packte ihn an den Beinen – und …« Tom sah nicht nur die Reiher augenblicklich die Luft anhalten. Ahnten sie, was nun kommen würde? »… und warf ihn in einen der Abfallcontainer.«
    Bestürzt schlossen die Reiher für einen kurzen Moment ihre Augen und schüttelten kaum wahrnehmbar die Köpfe.
    »Aber eines weiß ich mit Sicherheit«, fuhr Tom fort, »kein Vogel liegt ohne Fremdverschulden tot mit einer blutenden Brustwunde im Morgentau. Unser Freund, Neptunus der Reiher, wurde er---mor---det !«
    Nun herrschte langes, betretenes Schweigen. Goletta, eine große Graugans, fing sich als Erste. »Das ist gar nicht gut, das ist überhaupt nicht gut«, näselte sie.
    »Die Frage ist nun: Wer bohrt Löcher in Reiher? Wer ist in der Lage, eine solche Grausamkeit zu begehen?«, piepste Barkas.
    »Niemand von uns!«, schnatterten die Enten sofort im Chor.
    »Wir alle, die wir hier anwesend sind, sind doch friedliebend und tun niemandem etwas zuleide. Niemandem«, betonte Vri Jon und hieb blitzschnell mit seinem langen, spitzen Schnabel harpunengleich ins Wasser. Er packte einen für ihn viel zu großen Fisch und drehte ihn mit beträchtlichem Geschick so, dass er ihn – wegen der Schuppenrichtung mit dem Kopf voran – unter großer Anstrengung herunterwürgen konnte. »Wir tun doch niemandem was«, wiederholte er mit vollem Schnabel, wobei die Schwanzflosse des Fisches noch immer zappelnd und für jedermann sichtbar in seinem Schlund steckte.
    »Wir müssen herausfinden, was ihm zugestoßen ist. Sonst haben wir keine Ruhe«, regte die junge Ente Altena an, die ständig von ein paar dranggesteuerten Erpeln bestürmt wurde.
    Einträchtiges Kopfnicken von allen Seiten.
    Das war es.
    Mit großem Geschnatter beschloss das gefiederte Volk – überraschend einstimmig –, eine Kommission zur Klärung des plötzlichen Ablebens von Reiher Neptunus zu gründen. Tom schüttelte den Kopf und gab ein paar missmutige Töne von sich. Hundert Köpfe, hundertfaches Geschnatter, hundert Meinungen – das führte zu nichts, da war er sich sicher.
    Eine Gruppe Enten startete dagegen sofort begeistert zu einem Mitteilungsflug, um alle Wasservögel, die nicht an der Versammlung hatten teilnehmen können oder wollen, zu informieren. »Quak-quak, wir gründen eine Untersuchungskommission!« Nach einigen Beschallungsrunden über dem See und einem atemberaubenden Slalom zwischen Segelbootmasten hindurch landeten die selbsternannten Sprachrohre der Kommission wieder an der Abflugstelle und begannen sogleich mit der Federpflege.
    »Für mich kommen nur die, die an der Mauser leiden, in Frage«, krächzte Barkas. »Ich meine die feder- und flügellosen Zweibeiner mit ihren hechelnden Vierbeinern, vor denen wir uns immer in Sicherheit bringen müssen. Neptunus’ Tod kann nur ein Flügelloser verursacht haben, denen traue ich alles zu. Klick-Klick.«
    »Ich habe gestern Nacht streitende Flügellose gehört«, untermauerte das scheue Haubentaucher-Mädchen Optima den Verdacht des Blässhuhns und tauchte sogleich verschämt ab.
    »Die Flügellosen waren es!« Wieder erhoben sich die Kommissionsenten, die von Meldung zu Meldung mehr und mehr Zeitungsenten glichen, zu einem Informationsflug.
    »Meine Brüder und Schwestern, einer von euch ist doch immer wach«, appellierte der alte Veha eindringlich. »Ihr müsst doch etwas gesehen oder gehört haben. Es ist doch Frühling.«
    »Na ja, eben. Es ist Frühling. Da haben wir etwas anderes zu tun als nachts Reiher im Auge zu behalten!«, rief einer der jungen Erpel keck in die Runde. Unanständiges Geschnatter gab ihm recht.
    »Meiner Meinung nach können es nur die Madenbader gewesen sein.« Ein lackschwarzer Kormoran mit grünen Augen und gelbem Schnabel schaltete sich in die Diskussion ein.
    »Wen meinst du?«, wurde vielstimmig nachgefragt.
    »Na, ist doch klar. Die Flügellosen, die bei Wind und Wetter immer still und steif am Ufer sitzen und meist erfolglos versuchen, Fische zu fangen. Madenbader eben! Sie sehen uns und auch die Reiher nur als Konkurrenten an. Für die sind nur tote Reiher gute Reiher«, antwortete der Kormoran.
    »Hallo Rio, du bist ja auch hier!« Tom
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