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Tod eines Maechtigen

Tod eines Maechtigen

Titel: Tod eines Maechtigen
Autoren: Vampira VA
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aus grausamer Zufälligkeit -mit dem Leid der Familie Chaim bezahlte, war indes ein arger Wermutstropfen, dessen bitteren Geschmack Lilith nicht loswurde .
    Wieder allein in ihrer Kammer, langte Lilith nach dem Kelch, den sie neben dem Bett abgestellt hatte, als die kleine Rahel zu ihr gekommen war. Sie wußte um die Bedeutung des Gefäßes, das die Alte Rasse ihren Gral nannte. Sie wußte jedoch nicht, wie und weshalb der Kelch, geformt wie eine Lilienblüte und gefertigt aus unzähligen Splittern eines ihr unbekannten Materials, so plötzlich in der Vorkammer des Zeitkorridors erschienen war. Er war einfach dagewesen, und Lilith hatte ihn mitgenommen, nicht zuletzt aus dem Grund, um ihn nicht in andere, gefährlichere Hände fallen zu lassen - etwa in Landrus, der ihr nicht nur in jüngster Vergangenheit übelst mitgespielt hatte.
    Im unvermittelten Auftauchen des Lilienkelchs vermutete Lilith den Schlüssel zum Rätsel ihres namenlosen Bekannten (Geliebten, wisperte es gespenstisch und betörend zwischen ihren nüchternen Gedanken). Daß sie beide in der Vorkammer des Tunnels gefunden hatte, konnte kein Zufall sein - es durfte keiner sein, denn es war ihr einzige Spur und Handhabe .
    . aber sollte sie sich eine Verbindung zwischen Kelch und Mann tatsächlich wünschen? Warf es nicht ein dunkles Licht auf den Fremden, wenn er wirklich etwas mit dem Unheiligtum der Alten Rasse zu tun hatte? Mußte dies nicht bedeuten, daß er ein Vampir war ... und mithin Liliths Feind?
    Sie drehte den schweren Kelch in den Händen und starrte in seine Öffnung, als könnte sie darin die Antworten auf ihre Fragen lesen. Und fast glaubte sie, daß dem so sein konnte - hätte sie nur darin zu lesen verstanden! So aber sah sie nichts als Schwärze jenseits des Randes, so dicht und absolut, als sei der Kelch tatsächlich damit gefüllt.
    Liliths Blick wanderte wieder hin zu dem Namenlosen, zum vielleicht hundertsten Male in dieser Nacht, zum unzähligsten Male, seit sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Er sah aus, als schliefe er -so friedlich, so ruhig und still .
    Wie tot! zischte es gehässig in ihr.
    »Nein!« entfuhr es ihr erschrocken.
    Hastig rückte sie näher zu ihm, beugte sich über ihn, lauschte und spürte nach dem, was nicht Leben war, aber ihr doch verriet, daß er nicht tot war.
    Sie schluckte, bemühte sich, ruhig zu atmen - und entspannte sich, ein kleines bißchen.
    Es - was immer es auch sein mochte - war noch da ...
    Liliths Finger zeichneten sanft die Linien seines edlen Antlitzes nach, während ihre andere Hand auf seiner breiten Brust ruhte, als wolle sie den Schlag seines Herzens spüren, das sich doch nicht rührte.
    Sie brachte ihr Gesicht über das seine, ihr Atem streifte seine kühle (totenkalte!) Haut. Eine Träne fiel von ihrer Wange auf die seine, rollte wie ein gläserne Perle hinab, bis sie in seinem Mundwinkel zur Ruhe kam und zwischen seinen Lippen versickerte.
    Ohne daß in der Folge noch irgend etwas geschehen wäre .
    »Vielleicht kann ich dir helfen?«
    Lilith schrak auf und wandte sich zur Tür um.
    »Du?« fragte sie ungläubig.
    Eine zierliche Gestalt schlüpfte herein und schloß leise die Tür. Dann huschte Rahel auf nackten Füßen zu Lilith, lautlos wie ein Gespenst, und ließ sich ihr zur Seite nieder, so ohne Angst und voller Vertrauen, als würden sie einander schon lange kennen.
    »Wenn dein Vater -«, begann Lilith mit mildem Tadel, obwohl ihr die bloße Anwesenheit des Mädchens ein Gefühl der Wärme vermit-telte - und vage Hoffnung? Worauf?
    »Er wird schon nichts merken«, meinte das Mädchen, und kichernd fügte es hinzu: »Er schnarcht nämlich - kannst du ihn nicht hören?«
    Lilith ertappte sich dabei, daß sie tatsächlich lauschte, ob sie Gershom Chaim schnarchen hörte. Sie schüttelte lächelnd den Kopf: »Nein, kann ich nicht.«
    »Soll ich dir nun helfen - ja oder nein?« kam Rahel wieder auf ihre vorherigen Worte zurück.
    Lilith zuckte die Schultern.
    »Wie könntest du das tun?« fragte sie.
    Vollkommener Ernst, wie er eigentlich nur einem Erwachsenen zu Gesichte stand, prägte Rahels kindliche Züge und ließ sie beinahe unheimlich wirken, während sie erst Lilith und dann den namenlosen Mann ansah und schließlich sagte: »Weil ich manchmal mit den Toten reden kann.«
    *
    Dieser Weg der Schmerzen ... ... die große Erinnerung scheint überall in den Steinen zu singen ...
    Pierre Loti
    »Die Via Dolorosa, der Kreuzweg Jesu, beginnt an der Festung Antonia, dem
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