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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden
Autoren: Anne Perry
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darauf reduziert wurden, ihren Körper für eine besonders widerwärtige Art von Missbrauch zu verkaufen, um ihre durch hohe Wucherzinsen stets wachsenden Schulden zurückzuzahlen, auch wenn ihnen dies nie gelingen würde?«
    »Ja.«
    »Könnten Sie sie für das Gericht beschreiben, Mrs. Monk? Wie sah sie aus?«
    Jetzt begriff sie. Es war so schrecklich, dass ihr übel wurde. Der Saal um sie herum schwankte, als wäre sie auf See, die wogende Stille dröhnte ihr in den Ohren. Sie hörte Rathbones Stimme nur aus der Ferne.
    »Mrs. Monk? Geht es Ihnen gut?«
    Sie klammerte sich an das Geländer und griff so fest zu, dass der körperliche Schmerz sie wieder in die Gegenwart zurückbrachte.
    »Mrs. Monk?«
    »Sie war …« Sie schluckte und fuhr sich mit der Zunge über ihre trockenen Lippen. »Sie war ziemlich groß und recht hübsch. Sie hatte dunkles Haar und goldbraune Augen … sehr hübsch. Sie nannte mir den Namen Kitty … und auf dem Schuldschein stand Kitty Hillyer …«
    Rathbone drehte sich sehr langsam zum Richter um. »Euer Ehren, ich glaube, wir wissen jetzt, woher Katrina Harcus das Geld hatte, um sich so zu kleiden, wie es für eine hübsche, aber mittellose junge Frau notwendig war, die unehelich geboren wurde und, als ihr Vater starb und das versprochene Legat ausblieb, verarmte. Sie reiste nach Süden, um sich in London einen Mann zu suchen und eine glückliche Ehe einzugehen. Innerhalb von zwei Monaten starb ihre Mutter, ihr Verlobter verließ sie wegen einer reicheren Braut, und ihre Schulden wuchsen so an, dass sie in die abstoßendste Form der Prostitution gezwungen wurde, um den Wucherer zufrieden zu stellen. Dieser stellte sich als der Kollege ihres Vaters heraus, den sie als Kind gekannt hatte, an den sie sich in der fremden Stadt um Hilfe gewandt hatte und der sie nun so schändlich behandelte. Seine Forderungen empörten sie dermaßen, dass sie ihn von sich stieß und er in den Tod stürzte.«
    »Ruhe!«, befahl Richter den lauten, zornigen Zuschauern im Saal, aber es dauerte eine Weile, bevor er sich durchsetzte, so heftig waren die Gefühle. Mit einem Nicken bat er Rathbone fortzufahren.
    »Und als sie an diesem Abend von zwei anderen Prostituierten zum Coldbath Square gebracht wurde, um ihre Verletzungen behandeln zu lassen«, fuhr Rathbone fort und sah jetzt die Geschworenen an, »entpuppte sich die hilfreiche Krankenschwester ausgerechnet als die Frau des Mannes, der ihrer Auffassung nach der Urheber all der seit ihrer Kindheit erlittenen Ungerechtigkeit und ihres Kummers war. Sie hörte den Namen von Mrs. Monk und die Beschreibung von Mr. Monks äußerer Erscheinung, seines Charakters und seines neuen Berufes. Ich glaube, von diesem Augenblick an plante sie eine furchtbare Rache.«
    Ein abscheulicher, unglaublicher Gedanke schlich sich in Hesters Kopf.
    Fowler stand auf, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Zudem hörte ihm sowieso niemand zu.
    Hester konnte nur an Monk denken. Dalgarno, die Geschworenen und sogar Rathbone verschwammen vor ihren Augen. Monk saß reglos da, seine Augen waren groß und lagen tief in ihren Höhlen, aus seiner Haut war jegliche Farbe gewichen. Margaret war näher an ihn herangerückt, aber sie wusste nicht, wie sie ihm ein Wort oder eine Geste des Trostes bieten sollte.
    »Katrina Harcus hatte nichts mehr zu verlieren«, sagte Rathbone leise, aber in der jetzt eingetretenen Stille war jedes Wort deutlich zu hören. »Ihre Mutter war tot, der Mann, den sie liebte, hatte sie verlassen, und sie hatte nicht die Hoffnung, ihn je wiederzugewinnen, denn bei ihr war allzu offensichtlich nichts zu holen. Sie war so tief verschuldet, dass sie es nie im Leben hätte zurückzahlen können, und sie hatte ihren Körper auf so erniedrigende Art verkauft, dass sie glaubte, den Schmutz nie mehr abschütteln zu können. Und jetzt war sie auch noch schuld am Tod eines Mannes. Sie war welterfahren genug, um zu wissen, dass die Gesellschaft es als Mord betrachten würde, ungeachtet der erlittenen Provokation und der Tatsache, dass sie ihn nicht hatte umbringen wollen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Polizei sie fand, und sie würde den Rest ihres Lebens in Angst vor der Entdeckung leben.«
    Er breitete die Arme aus. »Das Einzige, was ihr noch blieb, war Rache. Und das Schicksal legte ihr die perfekte Gelegenheit dazu vor die Füße, als sie am Coldbath Square Mrs. Monk kennen lernte. Sie wusste alles über den ursprünglichen Betrug in Liverpool, für den ihr
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