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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten
Autoren: Magdalen Nabb
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nicht wahr? «
    »Nett, Sie wiederzusehen, Maresciallo. Was hätten Sie gern?« Franco stand hinter der Bar. Der Maresciallo hatte keinen solchen Empfang erwartet. Selbst Leute, die er noch nie gesehen hatte, lächelten ihn über ihr Frühstück hinweg an. Vielleicht war die wohltuende Kühle des nebligen Septembermorgens für die fröhliche Stimmung verantwortlich. In der Stadt herrschte wieder geschäftiges Treiben, wie durch ein Uhrwerk in Gang gesetzt, und zu den Geräuschen und Gerüchen in der vollen Bar gesellten sich die des vorbeifließenden Verkehrs. Der Metzger kam herein, dick und lächelnd in seiner weißen Schürze. Er hatte das Geschäft in der Obhut seiner Frau zurückgelassen, während er sich rasch einen Espresso gönnte, und auch er begrüßte den Maresciallo und legte ihm eine große rote Pranke auf die Schulter .
    »Ich hoffe, Ihre Frau wird uns nicht ganz untreu werden, jetzt wo die Geschäfte in Ihrem Bezirk wieder geöffnet haben. «
    »Das glaube ich nicht. Sie ist gern zum Einkaufen hierher gekommen. Nur hat sie in den letzten Tagen die meiste Zeit im Krankenhaus verbracht. «
    »Bei diesem jungen Burschen? Hat er das Bewußtsein wiedererlangt? «
    »Noch nicht.« Und heute müßten seine Eltern zurückkommen. Da die Ärzte gemeint hatten, es könnte dem Patienten guttun, wenn jemand mit ihm redete, auch wenn er nicht reagierte, hatte die Frau des Maresciallo viele Stunden an Brunos Bett verbracht. Er wußte, daß sie das gern tat und es als Wohltat empfand, sich nicht mehr so überflüssig vorzukommen, solange die eigenen Kinder nicht zu Hause waren. So hat jede Sache ihr Gutes … »Sie müssen ihr ausrichten«, sagte der Metzger, »daß wir uns immer freuen, sie zu sehen. Ich mag Kundinnen, die genau wissen, was sie kaufen. Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen? «
    »Was der Maresciallo trinkt, geht auf meine Rechnung«, unterbrach ihn Franco lächelnd und nickte mit seinem großen Kopf. »Seinen Kaffee zahlt niemand – was halten Sie von einem kleinen Schuß in den Kaffee? «
    »Nein, nein«, sagte der Maresciallo, »nur einen Kaffee. «
    Als er kam, schmeckte er besser als irgendein Kaffee seit Monaten .
    Der Himmel schien höher zu hängen, und das gefilterte Licht schimmerte und war voller Leben. Der Maresciallo konnte wieder besser atmen, und der Verkehr, über den sich alle das ganze Jahr über beklagten, trug zu der fröhlichen Stimmung bei. Bruno mußte einfach gesund werden; es konnte gar nicht anders sein .
    »Was zu essen?« schlug Franco vor, der damit beschäftigt war, Toast zu machen .
    »Nein, nein. Vielen Dank. «
    Er war mit dem Hintergedanken gekommen, Franco einen zarten Wink zu geben, daß man über seine Aktivitäten nach Ladenschluß Bescheid wußte, doch jetzt, wo er hier war, wollte er keinen ungemütlichen Ton anschlagen und damit die Stimmung verderben. Er konnte ja ein andermal wiederkommen. Ob seine Frau nach wie vor hier einkaufen würde, konnte er nicht sagen, aber er selbst würde bestimmt auf einen Espresso bei Franco hereinschauen, sooft er sich in der Gegend aufhielt. Er hatte diese Leute gern, diesen Franco und vor allem seine dicke, seelenruhige Frau .
    »Kaum zu glauben«, sagte Franco, »daß Sie herausgefunden haben, daß Clementina bei der Überschwemmung Mann und Kind verloren hat, wo sie selbst die ganzen Jahre nie darüber gesprochen hat. «
    Dem Maresciallo wurde bewußt, daß er von neugierigen, erwartungsvollen Gesichtern umgeben war und was als Gegenleistung für den Espresso von ihm erwartet wurde. Er erzählte, soviel er verantworten konnte, ohne Einzelheiten preiszugeben, die der Geheimhaltung unterlagen, und gab seinen Zuhörern damit das Gefühl, im Bilde zu sein .
    »Es war schon beeindruckend«, beendete er seinen Bericht, »zu erfahren, was die Überschwemmung wirklich bedeutet hat .
    Ich war damals noch unten in Sizilien – natürlich haben wir die Bilder in den Nachrichten gesehen, aber aus der Entfernung berührt einen das nicht so. «
    »Seien Sie froh, daß Sie nicht hier waren«, meinte der Metzger lachend. »Obwohl Ihnen da, wo Sie sind, nichts passiert wäre. Der Palazzo Pitti hat noch nie unter Wasser gestanden, weil er ein bißchen höher liegt. «
    »Das stimmt«, ließ sich ein winziger, mit Farbe bespritzter Mann vernehmen, »dort haben sie das Brot ausgegeben. Da wären Sie in Sicherheit gewesen. «
    »Trotzdem«, sagte der Maresciallo, »finde ich es erstaunlich, wie Sie zurechtgekommen sind. «
    »Wir hatten gar
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