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Tod einer Queen

Tod einer Queen

Titel: Tod einer Queen
Autoren: Magdalen Nabb
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hatte immer viel Tamtam darum gemacht, hatte stundenlang, wie ihm schien, an ihr herumgezupft, bis sie richtig saß, während er sich wehrte und hinaus wollte auf die staubige, gelbe Straße, um unterwegs noch etwas Zeit für einen kleinen Streich zu haben. Die Mutter pflegte außerdem sein widerspenstiges schwarzes Haar mit Wasser zu frisieren – auch so etwas, was er nicht hatte leiden können. Und wenn er dann wie ein freigelassenes wildes Tier aus der Küche schoß, rief sie ihm hinterher: »Und spiel unterwegs nicht, sonst machst du dich schmutzig! Denk dran!« Immer hatte er unterwegs gespielt, und immer hatte er sich schmutzig gemacht, und seine Mutter hatte es gewußt, ihn aber trotzdem immer wieder ermahnt. Jetzt war es Teresa, seine Frau, die Tag für Tag zu Totò sagte: »Sei nicht so laut!«, obwohl sie wußte, daß er nicht anders als mit lauter Stimme sprechen konnte .
    »Ich habe nein gesagt!« Eine verzweifelte Frauenstimme riß ihn aus seinen Gedanken. Neben ihm stand ein kleines Mädchen schluchzend vor den Plastikranzen .
    »Wir können’s uns nicht leisten – deine ganzen Schulbücher müssen wir auch noch kaufen! «
    Die Stimme der Mutter hatte keinerlei Wirkung auf das schluchzende Kind. Die Kleine hielt sich mit aller Kraft an dem Regal fest, wollte nicht weggezogen werden. Ein etwas größeres Mädchen von etwa acht oder neun Jahren, das einen hellroten Plastikranzen an sich drückte, stand da und sah zu – ein bemerkenswert hübsches Kind mit langen blonden Haaren und braunen Augen. Der Wachtmeister war fasziniert von ihrem Gesichtsausdruck, der zwischen Mitleid für die Lage des anderen Mädchens und Selbstzufriedenheit schwankte. Je mehr das kleinere Kind weinte, desto stärker preßte sie mit strahlendem Blick den Ranzen an sich .
    Der Wachtmeister wandte sich ab. Seine großen, ein wenig hervorstehenden Augen schauten zwar immer noch ausdruckslos, doch die Stimmung des blonden Mädchens hatte er sehr wohl registriert. Er empfand einen ähnlichen Zwiespalt: Einerseits bedrückte ihn, wie viele Probleme minderbemittelten Familien durch all diese unnötigen Geldausgaben entstehen mußten, andererseits spürte er Selbstzufriedenheit und Erleichterung bei dem Gedanken, daß er es sich leisten konnte. Zumindest… Er zog seine Brieftasche heraus und schaute hinein, obwohl er keine Ahnung hatte, wieviel seine Frau inzwischen gekauft haben mochte. Es war ja richtig, was diese Frau eben gesagt hatte, daß noch Schulbücher gekauft werden mußten. Er hoffte, daß er auf diese Expedition nicht auch noch mitgeschleppt würde. Die Schlange draußen vor der Buchhandlung reichte die ganze Straße hinunter, und selbst wenn man bis an die Spitze vorgerückt war und seine Liste abgab, mußte man noch lange warten .
    Halb fünf. Er würde sich verspäten. Noch immer machte er keine Anstalten, seine Frau und die Kinder zu suchen. Sie würden ihn leichter sehen, wenn er sich nicht von der Stelle rührte. Er blieb noch eine Viertelstunde stehen, und dann fanden sie ihn, genauer gesagt, Totò war es, der brüllend auf ihn zugestürzt kam: »Mamma ist dran. Sie sagt, du sollst um Gottes willen kommen, sie hat nämlich kaum Geld dabei! «
    »Ich werde mich verspäten«, sagte er, nachdem er bezahlt hatte .
    »Hier, trag das… und das. Moment mal, hat sie mir richtig rausgegeben? «
    »Es ist Viertel vor fünf. «
    »Nein, nein, alles in Ordnung. Maul jetzt nicht rum, Salva, wir sind praktisch fertig. «
    »Praktisch? «
    »Ich will nur im unteren Stockwerk schnell noch was besorgen. Die Jungs brauchen Socken. Du übrigens auch. Totò! Brüll nicht so! Hier wird nichts mehr gekauft, und damit basta! Nimm Giovanni auf der Treppe an die Hand, und falls wir uns verlieren, gehst du direkt zur Abteilung Kindersocken. Hast du verstanden? Salva, wo bist du? Salva! «
    Er stapfte hinter ihnen die Treppe hinunter, während seine großen Augen über die Köpfe der Menge weiter unten wanderten. Er entdeckte die langen blonden Haare des hübschen kleinen Mädchens, das still und geduldig dastand, während irgend etwas für sie gekauft wurde. Eine ebenso blonde, sehr hektische junge Frau, wahrscheinlich ihre Mutter, und eine gutgekleidete ältere Frau, die das Kommando zu führen schien, begleiteten sie. Er erinnerte sich an das andere kleine Mädchen, das traurig gewesen war, weil es keinen Ranzen bekam .
    »Findest du nicht, daß wir genug eingekauft haben? «
    murmelte er, als sie am Fuß der Treppe ankamen, aber seine
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