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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse
Autoren: Paul Harding
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beiden Turteltauben
     waren in den Sonnenuntergang davongeritten, nicht ohne Athelstan noch
     zuzurufen, er müsse sie so bald wie möglich besuchen. Die
     Revisoren waren entzückt gewesen, als sie das Silber zurückbekommen
     hatten, das im Keller von Roffels Haus versteckt gewesen war, und Sir
     Jacob Crawleys Name war von allen Makeln befreit worden. Der Bootsmann
     Moleskin war ein Held, und natürlich war der alte John Cranston auch
     noch da. Athelstan bekreuzigte sich und stand auf; er beugte das Knie in
     Richtung des Tabernakels und trat wieder hinaus auf die Brücke. Es
     wurde langsam dunkel, während er durch die Gassen zurück nach
     St. Erconwald wanderte. Weil er Hunger hatte, kaufte er sich in Merrylegs
     Bäckerei eine Pastete; er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen.
     Aber ein Bettler an der Ecke der Catgut Alley sah so kläglich aus, daß
     Athelstan ihm seufzend die ganze Pastete schenkte.
    Er hatte damit gerechnet, die
     Kirche verlassen vorzufinden, und sah jetzt überrascht, daß
     eine ganze Schar von Gemeindemitgliedern sich aufgeregt um Watkin und Pike drängte, die
     auf den Stufen standen. Der füllige Mistsammler lehnte mit dem Rücken
     an der Tür, als wolle er sie bewachen.
    »Was ist denn hier los?«
     fragte Athelstan.
    Watkin machte ein
     sorgenvolles Gesicht und legte einen Finger an den Mund.
    »Pater, habt Ihr ein
     Kruzifix oder Weihwasser?«
    »Natürlich. Warum?«
    »Da ist ein Dämon
     in der Kirche.«
    »Was? Watkin, hast du
     getrunken?«
    »Pater, da ist ein Dämon.
     Crim hat ihn gesehen! Er stand unter dem Lettner.«
    »Ach, sei doch nicht
     albern«, sagte Athelstan. »Watkin, geh beiseite.«
    »Ich glaube, Ihr
     solltet da nicht hineingehen.«
    »Papperlapapp! Aus dem
     Weg!«
    Athelstan drängte sich
     vorbei und betrat die dunkle Kirche. Keine Kerzen brannten, und im Dämmerlicht
     waren gerade noch die Umrisse der Bühne, der Lettner und das rot
     glimmende Tabernakellicht im Chor zu erkennen. Vorsichtig ging Athelstan
     durch das Mittelschiff hinauf und merkte überrascht, daß sich
     Furcht in seinem Magen regte.
    »Wer ist da?«
     rief er.
    Keine Antwort.
    »Im Namen Gottes!«
     rief Athelstan. »Wer ist da?«
    Er hörte ein Geräusch,
     und seine Angst wurde größer. Eine große, dunkle Gestalt
     erschien im Lettner, schwarz gekleidet von Kopf bis Fuß. Sie sah aus
     wie ein riesiger Ziegenbock mit dämonischen Gesichtszügen und
     gewaltig geschwungenen Hörnern und wirkte im Licht der dicken gelben
     Talgkerze in ihren Händen nur noch gespenstischer.
    »Geh und häng dich
     auf, Pfäfflein!«
    Athelstan entspannte sich und
     schloß die Augen. »Sir John, um des lieben Herrgotts willen!
     Ihr habt meine Gemeinde in Angst und Schrecken versetzt.«
    Sir Johns Gelächter dröhnte
     hinter der Maske lauter denn je. Der Coroner kam durch die Kirche
     stolziert, jeder Zoll ein schrecklicher Dämon.
    »Gefallt dir mein Kostüm,
     Bruder? Ich wollte dich überraschen. Du hättest sehen sollen,
     wie flink der alte Watkin laufen konnte!« Cranstons Stimme dröhnte
     wie eine Glocke. »Ich hatte keine Ahnung, daß ein Schmalzfaß
     so schön springen kann.«
    »Nehmt die Maske ab,
     Sir John.«
    Mühsam streifte der
     Coroner die Maske hoch. Sein breites, rotes Gesicht war schweißnaß
     und strahlte in einem boshaften Lächeln. »Die Tuchhändlergilde
     hat sie mir geliehen«, erklärte er. »Wie findest du sie,
     Bruder?«
    »Der Fürst der Hölle
     selbst würde vor Neid erblassen, Sir John.«
    »Gut. Ich dachte mir,
     daß du das sagen würdest.«
    Cranston setzte sich am Fuß
     einer Säule hin. Er stellte die Kerze neben sich und winkte Athelstan
     heran.
    »Komm her, Pfaffe. Ich
     bin nicht nur zum Vergnügen hier. Es ist wieder jemand ermordet
     worden.«
    Athelstan setzte sich neben
     ihn und starrte in die flackernde Kerzenflamme. Er spürte die
     kribbelnde Erregung im Bauch und wußte, daß der Prior sich
     irrte: Niemals würde er das hier gegen eine trockene, staubige
     Schulstube tauschen.
    »Da ist jemand ermordet
     worden«, wiederholte Cranston, »und zwar in einer Gasse bei
     Walbrook. In der ›Goldenen Elsten - einer prächtigen Schenke
     mit einem ausgelassenen Wirt. Um es kurz zu machen: »Heute früh wurde mein
     Wirt mit eingeschlagenem Schädel im Keller gefunden, aber die Kellertür
     war verschlossen, und niemand hat jemanden hineingehen oder herauskommen
     sehen.«
    »Habt Ihr schon mit den
     Vernehmungen begonnen, Sir
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