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Tod auf der Koppel

Tod auf der Koppel

Titel: Tod auf der Koppel
Autoren: Mary Scott - Joyce West
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das Tier vor lauter Angst außer sich geraten.
    Sara bekam fast keine Luft mehr; sie war nah am Ersticken. Halb besinnungslos fing sie zu schreien an: »Simon! Simon! Komm! Hilf mir!« Wie im Traum hörte sie, wie sich ein Auto in rasender Fahrt näherte und unmittelbar an der Mauer hielt. Dann wurde die Tür zum Stall aufgerissen. Sie vernahm Männerstimmen, einige Schritte und den Ruf: »Wo bist du?«
    Aber Sara vermochte nicht mehr zu antworten. Ohne Bedauern hörte sie, wie Fatal Lady aufschrie und mit den Hufen gegen ihre Box donnerte. Und wie aus weiter Ferne vernahm sie einen lauten Schrei und fast gleichzeitig einen Schuß. Sie dachte: »Das ist also das Ende. Das ist der Tod.« Da wurde die Tür aufgerissen, und sie sank Simon in die Arme.
    »Fatal Lady! In der Box nebenan! Laßt sie raus! Schnell!« flüsterte sie mit letzter Kraft. Dann wurde ihr schwarz vor den Augen.
     

17
     
    »Na, ist das nicht ein herziges Kind?« fragte die junge Schwester.
    »Es scheint wirklich völlig in Ordnung«, entgegnete Jim mit gespieltem Gleichmut.
    Die Schwester blickte ihn vorwurfsvoll an. Aber dann sah sie die Rührung in seinen Augen, und sie merkte, daß seine Gleichgültigkeit nur gespielt war. Junge Väter neigten oft dazu, ihre Gefühle nicht allzu offen zu zeigen. Und Jim gehörte ohnehin zu den eher zurückhaltenden Männern.
    Man brauchte nur daran zu denken, wie er sich in der Mordsache bewährt hatte. Seinem Scharfsinn war es zu verdanken, daß sich das Rätsel zum Schluß aufgeklärt hatte. Jim behauptete zwar, er habe sehr viel Glück dabei gehabt; aber die Schwester ließ sich dadurch nicht irremachen. Jim hatte den Mörder gestellt, während der gerissene Inspektor, den alle so lobten, sich hatte täuschen lassen. In ihren Augen war Jim ein Held, und von einem Helden konnte man nicht erwarten, daß er über ein neugeborenes Kind außer sich geriet.
    Der »zurückhaltende« Mann starrte durch die Glaswand auf das rote, faltige Gesichtchen. Zurückhaltend, ja das war er. Dennoch war er gerührt vom Anblick seines Kindes. Ein gesundes kleines Mädchen! Und was ihm ebenso sehr am Herzen lag: daß es Annabel gut ging, daß sie sich wohl fühlte und ihre Ruhe hatte.
    Seinen Gedankengang unterbrach jetzt eine wohlbekannte Donnerstimme. »Aber selbstverständlich! Jede Frau möchte in dieser Situation ihre Mutter sehen. Obwohl ich für die Öffentlichkeit in erster Linie die erfolgreiche Schriftstellerin bin, bin ich schließlich auch Mutter.«
    Augusta Wharton schritt den Gang entlang. Neben ihr lief die Oberin, sichtlich beeindruckt von der majestätischen Person. »Natürlich! Gewiß!« erklärte sie ziemlich schüchtern. »Aber wir haben uns so bemüht, kein Wort von dieser schrecklichen Sache durchsickern zu lassen. Und die Stationsschwester ist die Diskretion selbst. Sogar die Zeitungen haben wir Ihrer Tochter vorenthalten.«
    »Sehr vernünftig! Ich muß Ihre Vorsicht loben. Meine Tochter ähnelt in dieser Beziehung eher mir als ihrem Vater. Sie ist außerordentlich sensibel und leicht aus der Fassung zu bringen.«
    Beinahe hätte Jim protestiert. Annabel war wohl sensibel, was die Gefühle anderer anging. Aber leicht aus der Fassung zu bringen? Was für ein Unsinn! Annabel war die ausgeglichenste Frau von der Welt.
    »Annabel geht es gut«, sagte er kurz angebunden zu seiner Schwiegermutter, nachdem er sie begrüßt hatte, und fügte etwas freundlicher, wenn auch gegen seine Überzeugung, hinzu: »Sicher freut sie sich über deinen Besuch. Sie hat nicht damit gerechnet, weil sie weiß, wie sehr du die Klinikatmosphäre verabscheust.«
    »Das stimmt«, erwiderte Augusta hoheitsvoll. »Auf einen so sensiblen Menschen wie mich wirkt Krankenhaus immer wieder sehr bedrückend.« Sie warf einen flüchtigen Blick auf das kleine Kind hinter der Glaswand und meinte: »Recht nett. Ich habe es auch nicht anders erwartet.« Danach brachte Jim sie zu Annabel.
    Annabel lächelte glücklich. Das war natürlich, denn man hatte ihr noch nichts von den schrecklichen Ereignissen der letzten Tage erzählt.
    »Nun, mein liebes Kind, deine Prüfung ist vorbei«, sagte Mrs. Wharton. »Das freut mich für dich. Ein hübsches Kind. Ich habe es mir angesehen und dabei über das ewige Wunder des Lebens nachgedacht.«
    »Fein, daß es dir gefällt, Mutter«, antwortete Annabel pflichtgemäß und empfing demütig den mütterlichen Kuß. »Ja, sie ist recht niedlich. Als man sie mir in den Arm gelegt hatte, habe ich gleich ihre
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