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Tod auf Bestellung

Tod auf Bestellung

Titel: Tod auf Bestellung
Autoren: Alexander Lohmann
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Vorfahren.
    Cotton hob andeutungsweise sein Weinglas und lächelte ihr zu. Er war froh, dass er so kurzfristig einen Platz im Scalini hatte besorgen können. Es war ein geradezu festliches Date, nach den ersten zwanglosen Begegnungen und gemeinsamen Unternehmungen. Okay, das Scalini lag ein Stück oberhalb seiner Gehaltsstufe, aber was konnte man erwarten, wenn man Decker um Rat fragte? Er fand ohnehin selten die Zeit, um richtig auszugehen, und er brauchte eine gelungene Wiedergutmachung für die lange Wartezeit – einen Einstieg, um aus einer Bekanntschaft oder Freundschaft mehr werden zu lassen.
    »Deine Verwandten, leben sie noch alle in Iowa?«
    Die Frage weckte Cotton wie ein kalter Regenguss aus seinen Träumereien. Seine Familie war so ziemlich das letzte Thema, über das er bei einem perfekten Date reden wollte.
    »Meine Eltern sind schon lange tot«, antwortete er ausweichend. »Mit achtzehn bin ich dann nach New York gekommen. Ich habe Sarah durch Zufall kennengelernt, und sie hat sich um mich gekümmert. Sie würde dich bestimmt gerne mal sehen.«
    Maria schaute betroffen drein, als Cotton den Tod seiner Eltern erwähnte. Doch als er darüber hinwegging wie über ein Ereignis, das in seiner frühen Kindheit lag, lächelte sie. »Ich würde mich auch freuen, sie kennenzulernen«, sagte sie. »Ich kenne kaum jemanden in dieser Stadt.«
    Cotton nickte abwesend, denn er hatte die Bilder eines Friedhofs und den Anblick des Trümmerfelds am Ground Zero vor Augen, wo seine Familie gestorben war. Erinnerungen waren alles, was ihm geblieben war. Seine Gedanken wanderten zurück in den Besprechungsraum, den er vor wenigen Stunden verlassen hatte. Es gab da etwas, was er beinahe vergessen hatte.
    Angehörige.
    Cotton gab sich einen Ruck. Wenn er den Kopf wieder freibekommen und den Abend noch genießen wollte, musste er sich sofort um diese Sache kümmern. Er schaut Maria an. »Entschuldige mich bitte, ich muss mal kurz zu den Waschräumen.«
    Er zog sich auf die Treppe zurück. Zwischen den Waschräumen und dem Weinkeller suchte er sich einen ruhigen Winkel, zog sein Smartphone hervor und scrollte sich durch die gesammelten Falldaten. Dann wählte er eine Nummer.
    »Ja?«, meldete sich eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung. Sie klang mürrisch.
    »Clegg?«, fragte Cotton. »Spreche ich mit Randolph Clegg?«
    »Ja«, antwortete der Mann.
    Es war der Bruder des letzten Mordopfers. Cotton und Decker hatten ihn bisher nicht befragt. Jason und Randolph Clegg hatten weit entfernt voneinander gelebt und seit Jahren kaum Kontakt gehabt – so viel hatte die Polizei bereits zu den Akten genommen. Es schien unwahrscheinlich, dass der Bruder etwas wusste, was bei den Ermittlungen helfen konnte. Nun allerdings war Cotton über einen Sachverhalt gestolpert, wo ihm die Auskunft eines Angehörigen bedeutsam erschien.
    »Wer spricht denn da?«, fragte der Mann.
    »Special Agent Cotton, FBI. Ich wollte mit Ihnen über Ihren Bruder sprechen.«
    »Am Telefon? Jetzt?«, fragte Clegg verwirrt.
    »Ja …« Cotton schaute sich um und vergewisserte sich, dass niemand von den Toiletten her mithörte. Wenn er darüber nachdachte, kam er selbst zu dem Schluss, dass es keine gute Idee war. »Nur eine kurze Frage.«
    »Die Polizei hat schon mit mir gesprochen«, sagte Clegg. »Als sie mir gesagt haben, was mit meinem Bruder passiert ist.«
    »Wie stand Ihr Bruder zu Organspenden?«, fragte Cotton.
    »Wissen Sie was, Mister«, sagte Clegg. »Fragen Sie meine Pressestelle. Oder kommen Sie vorbei und zeigen Sie mir einen Ausweis.« Er legte auf.
    Cotton stand einen Augenblick da und starrte auf sein Smartphone. Er war wütend, hatte zugleich aber Verständnis für den Mann. Nach dem Mord an seinem Bruder hatte Randolph Clegg bestimmt eine Menge unerwünschten Besuch von der Presse bekommen. Und wenn man die spektakulären und makabren Begleitumstände des Mordes bedachte, waren es vermutlich nicht die seriösesten Reporter, die bei ihm Schlange standen. Cotton hatte nach dem Tod seiner Eltern ähnliche Erfahrungen gemacht. Außerdem war neun Uhr abends vor einer Herrentoilette weder die beste Zeit noch der beste Ort für eine Befragung.
    Cotton zögerte kurz, dann blätterte er wieder durch sein Smartphone. Am schnellsten wäre er in Seattle, wenn er am nächsten Morgen den Flug gegen halb acht in Newark erwischte. Er würde ein wenig Zeit von seinem Date abzwacken müssen, um alles so schnell wie möglich zu organisieren, und er konnte
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