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Titan 5

Titan 5

Titel: Titan 5
Autoren: Frederik Pohl
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Schüchterne Menschen sind große Philosophen. Sie verdrängen ihre Unterlegenheit, ihr Ausgeliefertsein gegenüber den… den…«
    »Den Drukkers?«
    »Wahrscheinlich meine ich die, ja. Auf jeden Fall hat mich schon immer beeindruckt, was der alte Plato gesagt hat – nämlich, daß die Welt, wie die Menschen sie ringsum sehen, nicht mehr ist als eine Anzahl von Schatten an einer Höhlenwand.«
    »Und die Menschen, die sie sehen?« fragte Cavanagh ruhig.
    »Keine Ahnung.« Der kleine Mann lächelte. »Vielleicht bloß Schatten mit Augen. Und nun fragen Sie mich bloß nicht, was das für ein Feuer ist, das die Schatten wirft. Solche Gedanken führen ein wenig tiefer, als ich tiefsinnig sein möchte. Aber diese Art der Weltanschauung ist eine große Beruhigung für einen Menschen, der es im Leben nie zu viel gebracht hat. Sie vergegenwärtigt ihm, daß alles, wonach Menschen streben – Geld, Macht, Besitz –, nur aus Schatten besteht.«
    Plötzlich erkannte Cavanagh Mr. Stephens’ Einsamkeit und seinen Mut. Den Mut, der bis an die Grenzen des Individuums vorgedrungen war, welchem er gehörte – der es befähigte, unter Drukkers Augen stark zu bleiben, wie der kleine Mann es am gestrigen Abend getan hatte. Cavanagh war es nicht gewöhnt, seine wahren Empfindungen zu äußern, nicht nach zehn Jahren in Hollywood. Aber diesmal versuchte er es, widerwillig und ungeschickt, selbst von merkwürdiger Scheu befallen. »Aber… Sie haben eszu etwas gebracht. Diese Fähigkeit ist doch eigentlich wundervoll, oder?«
    »Kann sein. Danke dafür, daß Sie das gesagt haben.« Er hob die Schultern und wollte anscheinend noch etwas hinzufügen, unterließ es jedoch; zugleich blieb er stehen. Cavanagh blickte auf. Sie standen vor einem Kino. Es ähnelte dem, wo – ja, es war jenes, wo Corry den Aufruhr veranstaltet hatte. Seither waren nur wenige Wochen verstrichen, und doch schien bereits ein Zeitalter vergangen zu sein. Irgendwie hatte dieser kleine Mann, so schien es, diese Zeitspanne gedehnt, indem er ein winziges Stückchen der Unendlichkeit einschob. »Ich wollte ins Kino«, sagte Stephens. »Kommen Sie mit hinein?«
    Traurig schüttelte Cavanagh den Kopf. »Ich hoffte, Sie würden unsere Begegnung nicht problematisch gestalten.«
    »Ach so, ja.« Der kleine Mann heftete einen ernsten Blick auf Cavanagh. »Aber Sie müssen wissen, daß Drukker keineswegs das letzte Wort hat. Sehen Sie, wenn er mich am Kinobesuch hindern will, wende ich mich ganz einfach an die Zeitungen. Dort ist man, so habe ich den Eindruck, bereits auf die Tatsache aufmerksam geworden, daß seltsame Dinge vorgehen. Man wird sich meine Geschichte bestimmt anhören.«
    »Aber wäre Ihnen das recht? Die Publizität und all das?«
    »Um ehrlich zu sein, nein. Aber das würde ich hinnehmen, um Drukker abzuwimmeln.«
    »Aber wozu wäre es gut?«
    »Lediglich dazu. Ich habe Ihnen gesagt, daß ich mit richtigen Psi-Kräften keinerlei Erfahrungen besitze. Es gibt genug Leute, die so etwas vorweisen können. Offenbar haben sie noch nie daran gedacht, Filme zu verbessern. Falls doch, habe ich jedenfalls nichts davon gehört. Stellen Sie sich vor, was sie tun könnten, wüßten sie, daß es möglich ist. Das gäbe allerlei Überraschungen.«
    Plötzlich erbleichte Cavanagh. »Nicht!« Er packte den kleinen Mann am Arm. »Sie kennen Drukker nicht. Glauben Sie denn, er wird zulassen, daß ihm alles über den Ohren zusammenbricht?«
    Gequält senkte der kleine Mann den Blick abwärts auf Cavanaghs rohe Faust. Schamroten Gesichts gab Cavanagh ihn frei. Der kleine Mann entfernte sich in Richtung zur Kinokasse. »Sie Idiot!« schnauzte Cavanagh heftig. »Sie zwingen mich, ihn anzurufen!«
    »Wenn es sein muß, ja«, erwiderte Mr. Stephens, indem er sich umdrehte. Er musterte Cavanagh voller Bedauern. »Ich dachte, Sie besäßen mehr Mumm.«
    Cavanagh stand da und zögerte für eine ganze Weile. Dann zuckte er die Schultern und rief Drukker an. Drukker handelte sofort – auf genau die Weise, die Cavanagh befürchtet hatte. Plötzlich fühlte Cavanagh sich verpflichtet, den kleinen Mann außer Gefahr zu bringen. Mit Händen, die bebten, erwarb er eine Eintrittskarte und eilte in den Zuschauersaal.
    Über die Leinwand flimmerte bereits der Hauptfilm. Banditen – nach ihrem Aussehen zu schließen – beschlichen eine Wagenburg. Es war finster im Zuschauerraum. Die Platzanweiserin war offenbar woanders beschäftigt. Unter gemurmelten Flüchen tastete Cavanagh sich den
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