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Tintorettos Engel

Titel: Tintorettos Engel
Autoren: Melania G. Mazzucco
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Caterina zu beschaffen: weit entfernt von der blonden Freundin mit den Sommersprossen, auf die ich, vergib mir, Herr, eifersüchtiger war als auf alle ihre Liebhaber. Die Wohnung war ein Halbgeschoss mit niedrigen Decken im Palazzo eines Aristokraten, von dem ich ein Portrait angefertigt hatte. Der erste meiner besser gestellten Kunden, der meine Arbeit auch bezahlte: Allen anderen musste ich sie schenken, damit sich der Ruf meines Könnens verbreitete. Als ich ihm erklärte, dass ich meine Freundin darin unterbringen wolle, wünschte er mir alles Gute und warnte mich vor.«Deutsche Frauen haben kein Herz», meinte er,«sie sind hart wie Kieselstein. Verlieb dich bloß nicht in eine Deutsche, Tintoretto.»
    Ich kaufte ihr Möbel - Kisten aus Nussbaum für die Unterwäsche, ein goldverkleidetes Holzbett mit Baldachin und gewundenen Pfeilern, Samtvorhänge, längliche Scheiben für die Fensteröffnungen, silberne Kerzenständer, Zinnteller, Seidenlaken und
sogar Zangen fürs Feuer. Ich schenkte ihr Kleider und eine Viola, um gemeinsam mit ihr Musik zu machen. Bemalte Wände und Decken. Jedes Mal, wenn ich mit einem Geschenk bei ihr eintraf, musterte mich Cornelia vergnügt und sagte:«Du meinst doch nicht, mich kaufen zu können, kleiner Mann?»Und ich lachte und antwortete:«Wenn du erst einmal die reichste Frau Venedigs bist, wirst du mich kaufen, mein Deutschland.»
    Einige Zeit später verkündete ich ihr, dass ich ihr das Kostbarste, was ich besaß, schenken wolle.«Willst du mich malen?», fragte Cornelia überrascht, da sie wusste, dass ich Frauen nicht gern nach der Natur zeichnete. Bevor ich ihr begegnete, wäre ich dazu nicht einmal in der Lage gewesen und hatte daher noch nie eine gemalt.«Meine Freiheit», antwortete ich.«Was willst du dafür im Gegenzug?», fragte sie und kraulte mein Brusthaar. Über Stunden konnte meine Deutsche wie auf einem Pferd auf mir reiten - sie ernannte mich zu ihrem Ross, auf dem wir, wenn wir nur immer so weiterritten, bis zur Krim gelangten. Irgendwo hatte ich gelesen, dass dort die Amazonen lebten.«Dein höchstes Glück», antwortete ich.«Sag mir, was es ist, und ich werde es dir schenken.»«Du bist es», erwiderte Cornelia.«Lass mich mit dir zusammenleben.»Herr, das konnte ich nicht tun. Vielleicht hätte ich es gekonnt, doch ich war nicht dazu imstande. Nie wieder hat mich Cornelia darum gebeten. Ich hatte sie nicht geheiratet, hatte nicht um ihre Hand angehalten, noch hatte ich es ihr versprochen, es jemals zu tun. Ich betrachtete sie jedoch als meine Frau und machte mich zu ihrem Gefährten.
    Jeden Tag nach der Arbeit besuchte ich sie und schlief bei ihr. Im Morgengrauen verließ ich sie still und leise, um sie nicht zu wecken. Ich habe sie nie gefragt, was sie den ganzen Tag über tat, und auch sie hat es nie von mir wissen wollen. Wenn ich von ihr geachtet werden wollte, musste auch ich sie achten. Und das tat ich. Cornelia wartete am Fenster auf mich, das auf den Rio della Misericordia ging. Sie erkannte mich bereits an meinen Schritten,
wenn ich noch hinter dem gegenüberliegenden Haus war.«Selbst wenn sie mir die Ohren abreißen, werde ich noch die Melodie deiner Schritte heraushören», sagte sie,«und deine Haut riechen, sollten sie mir die Nase abhacken.»Cornelia hatte beobachtet, wie man auf dem Markusplatz einer Prostituierten Ohren und Nase abgeschlagen hatte, weil sie beschuldigt wurde, für den Mord an einem Kunden als Köder gedient zu haben. Dieses blutrünstige Strafmaß hatte sie erschüttert. Aber auch ich hätte ihre hochgewachsene Figur wiedererkannt, hätte man mir die Augen ausgestochen. Mit den roten Haaren und ihrem Kreuz eines Kriegers stach Cornelia wie ein Tropfen Feuer aus der Menge heraus.
    Über die Zukunft sprachen wir nie. Unsere Nächte waren das Einzige, was zählte, sowie die Tage, die wir getrennt erlebten - die langen Stunden, in denen sie mir jedoch nicht fehlte, verbrachte ich mit meinen Farben, Ideen und Bildern. Bei Sonnenuntergang aber überwand ich die Entfernung zwischen meinem und ihrem Haus beinah wie im Flug. Zu keinem Zeitpunkt wurden wir einander überdrüssig.
    An einem Sonntag im Herbst gingen wir am Lido spazieren, wo wir barfuß im Sand an der Wasserlinie entlangliefen, als sie mir eröffnete, dass sie schwanger sei. Sie sagte, sie habe es mir extra lange verschwiegen, weil sie fürchtete, ich könne ihr befehlen, es wegzumachen. Das hätten in der Vergangenheit alle Männer von ihr gefordert. Und sie habe es
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