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Timoken und der Trank der Unsterblichkeit

Timoken und der Trank der Unsterblichkeit

Titel: Timoken und der Trank der Unsterblichkeit
Autoren: Jenny Nimmo
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seiner langen schmalen Nase stand weit über seinem schlitzförmigen Mund hervor. Seine winzigen Ohren ruhten in Vertiefungen auf beiden Seiten des Kopfes und es hatte am ganzen Körper nicht ein Haar.
    Trotz des befremdlichen Äußeren der Kreatur war die Königin keineswegs beunruhigt. „Was ist mit dir geschehen?“, fragte sie sanft.
    Das Wesen kroch auf die Königin zu und ergriff den Saum ihres Kleides. „Vergebt mir“, sagte es. „Es gibt keinen Ort, an dem ich Zuflucht finden könnte, nirgendwo. Sie verfolgen mich überallhin.“
    „Wer verfolgt dich?“, fragte der König ziemlich grob. „Meine Leute tun niemandem etwas zuleide, auch nich t … auch nich t …“
    „Einem Dschinn?“
    „Allerdings, auch nicht einem Dschinn. Bist du denn einer?“
    „Ich bin ein Wald-Dschinn.“ Die Stimme des Wesens klang wie das entfernte Läuten winziger Glöckchen. Die Königin war ganz verzaubert davon. „Ich bin der Letzte meiner Ar t …“ Der kleine Dschinn ließ die zerbrechlichen Flügel schlaff herabhängen.
    „Du scheinst in großer Bedrängnis zu sein“, sagte die Königin. „Wie können wir dir helfen?“
    „Verloren. Ich bin verloren.“ Zwei dicke Tränen kullerten über die gefleckten Wangen des Dschinns. „Ich flog über den Wald. Ich wagte nicht anzuhalten. Tagelang zog ich durch die Lüfte. Und ich konnte sie die ganze Zeit hinter mir hören. Sie ließen mich nicht ausruhen. Dann erfasste mich eine Windböe und wirbelte mich in Euer wunderschönes Königreich.“ Der Dschinn hielt inne und holte tief Luft. „Nun bin ich hier und Eurer Gnade ausgeliefert.“ Er neigte den Kopf.
    Der König strich sich über das Kinn und warf seiner Gemahlin einen flüchtigen Blick zu. Alle kürzlich noch deutlich sichtbaren Anzeichen von Müdigkeit und Sorge waren aus ihrem Gesicht gewichen.
    „Ich werde einen Diener beauftragen, ein Bett für dich herzurichten“, sagte die Königin, „wenn du so etwas überhaupt gewohnt bist. Und du bekommst erst einmal eine Mahlzeit. Was isst du denn gern, Wald-Dschinn?“
    „Früchte?“, erwiderte der Dschinn zögernd. Noch mehr Tränen stiegen in seine safrangelben Augen und er sah verlegen zu den farbigen Mosaiksteinen auf, die die Zimmerdecke über ihm schmückten. „Ihr müsst entschuldigen, aber zu mir war schon so lange niemand mehr freundlich, sodass es mich ein wenig verwirrt.“
    „Jeder verdient ein bisschen Freundlichkeit“, sagte die Königin sanft. „Ohne sie würden wir sterben.“
    Der König läutete eine kleine Glocke, die neben ihm auf dem Tisch stand, und ein Diener erschien. Als der Mann den Dschinn erblickte, rang er vor Schreck nach Luft.
    „Wir haben einen Gast“, erklärte die Königin mit fester Stimme. „Bring uns eine Schale Obst und bereite ein Bett vor. Und behandle unseren Besucher genau so, wie du mich behandeln würdest, mit Respekt.“
    „Jawohl, Majestät.“ Der Diener warf dem Dschinn noch einen kurzen Blick zu und zog sich wieder zurück.
    In dieser Nacht sank die Königin zum ersten Mal seit Monaten wieder in einen friedlichen Schlaf. Das Gewitter verzog sich und am nächsten Morgen lag ein feiner, sonnendurchfluteter Nebel über dem Königreich.
    Als die Königin in der Früh nachsehen ging, ob der Dschinn schon wach war, lag er zusammengerollt in der Mitte des großen Bettes, seine Flügel ordentlich zusammengefaltet, und schlief tief und fest. Das kleine Geschöpf musste sehr müde sein, deshalb schlich die Königin wieder davon.
    Der Dschinn schlief drei volle Tage lang. Als er erwachte, hatten sich seine Flügel aufgehellt und die fleckige Haut hatte eine gesunde braune Farbe angenommen. Zum Frühstück wurden ihm eine große Schale voll mit Früchten und ein Becher kristallklares Wasser serviert.
    Nach dem Frühstück verkündete der Dschinn, dass er in den Wald zurückkehre. Es sei sein Zuhause und er müsse sich der Gefahr stellen, die ihn dort erwarte.
    „Aber ich dachte, dass si e – wer auch immer sie sein möge n – dir etwas Schreckliches antun könnten“, erwiderte die Königin. „Warum hast du sonst so verzweifelt versucht, ihnen zu entkommen? Verlass uns nicht, Wald-Dschinn. Du kannst so lange hierbleiben, wie du möchtest.“
    Der Dschinn schüttelte bedauernd den Kopf. „Sie werden nie aufhören, nach mir zu suchen. Früher oder später werden sie über Euer friedliches Königreich herfallen und es zerstören.“
    „Wer?“, fragte der König stirnrunzelnd. „Was sind das für Kreaturen, die nur
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