Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen
Autoren: James Krüss
Vom Netzwerk:
bald darauf auch einfuhren, nachdem das letzte Brückchen über uns hinweggeglitten war.
    Während unsere Gondel hier nach rechts abbog und
    entlangfuhr an der Riva degli Schiavoni, an der vielfarbigen Touristenmenge vor den einfarbigen Häuserfassaden vorbei, fragte der Baron halblaut: »Muß man denn alles, was man weiß, auch gleich erzählen, Herr Thaler? Monsieur El Baid war, wie Sie gesehen haben, ein bißchen erschrocken über soviel Offenheit.«
    »Aber was ich erzählt habe, Baron«, sagte Timm Thaler,
    »ist doch erfreulich für die Stadt Venedig. Sie haben hier ja ein Problem gelöst.«
    »Sie finden das erfreulich?« fragte der Baron und war erstaunt. »Sieh einer an.«
    »Wie man es auch ansieht, Baron, es ist auf alle Fälle für Venedig gut.«
    »Ah, Venedig!« rief plötzlich, fast schwärmerisch, der Baron. »Ah, diese Stadt, so reich, so schön, soweitklug!«
    Aber Timm Thaler, jetzt gar nicht mehr träumerisch wie vorher, sagte: »Die Stämme und Pfähle unter den Palästen faulen aber; und der Geruch Venedigs ist im Augenblick gar nicht erfreulich. Dagegen dürfte Fischgeruch mit Meeresblick wie Ambra sein.«
    Der Baron zuckte mit den Schultern und sagte, während unsere Gondel sich langsam der Anlegestelle am Kai von Sankt Markus näherte: »Gewiß, die große Zeit Venedigs ist vorbei, die hohe Zeit des Handels auf den Meeren, als sie die reiche Mittlerin war zwischen Ost und West. Und schade ist, daß wir mit ihrer Kloake Handel treiben müssen, statt Perlen aus dem Orient zu holen.«
    Die Gondel glitt jetzt langsam an die Anlegestelle. Dabei sagte Timm Thaler: »Wissen Sie, Baron, von allen
    Unternehmen, an denen Sie beteiligt sind, ist dieses hier das liebenswürdigste, denn es ist nicht nur menschenfreundlich, weil es den Kot zu Korn macht, es ist auch freundlich zu der Stadt Venedig, die es säubert, und es ist freundlich zur Natur, in der der Mensch so seltsam aufgestiegen ist.«
    »Liebenswürdig?« murmelte der Baron, als unsere Gondel schon am Steg lag. »Scheiße und liebenswürdig?« Er klaubte aus seiner Jackentasche einen großen Geldschein, warf ihn dem Gondoliere zu, sprang auf den Steg und verschwand in der Menge am Kai.
    Da verließen auch wir die Gondel, und der Gondoliere, doppelt und reichlich bezahlt, bedankte sich bei uns, die wir ihn gar nicht bezahlt hatten, vielfach und überschwenglich.
    »Eine merkwürdige Gondelfahrt«, sagte ich, als wir im Menschengewühl Richtung Dogenpalast wanderten.
    »Nicht merkwürdiger«, sagte Timm, »als die Geschäfte des Barons, von denen ich das eben beschriebene lobe.«
    »Haben die Stücke, die du schreiben willst, alle mit den Geschäften des Barons zu tun?« fragte ich.
    Timm sagte: »Ja, ich glaube, alle Stücke. Sein
    geschäftliches Feld, das ist ein Acker, den ich kenne.«
    »Und woran merkst du«, fragte ich, »daß irgendein
    Geschäft mit dem Baron zu tun hat?«
    »Das kann ich riechen«, sagte Timm. »Darum wird es in diesen kleinen Stücken, die ich spiele, auch immer leicht nach Schwefel riechen.«
    Als Timm von Schwefelgeruch sprach, fiel mir der
    angebliche Amerikaner vom Abend vorher ein, der
    Hasenpfotenverkäufer. Ich erzählte Timm davon und auch von der geflüsterten Warnung auf dem kleinen weißen Dampfer, worauf Timm sagte: »Weißt du, der Baron hat sein eigenes Ein-Mann-Marionettentheater. Er selbst spielt alle Rollen in verschiedenen Verkleidungen und kommt sich dabei wie ein Tausendsassa vor. In Wirklichkeit zappelt auch er an fremden Fäden. Vorhin als Monsieur El Baid war er übrigens gar nicht so schlecht.«
    »Als Monsieur El Baid?« fragte ich und war perplex.
    Timm Thaler nickte: »Ja, das war er auch. Und nun habe ich Hunger.«
    »Da wüßte ich ein Restaurant, Timm«, sagte ich.
    Aber Timm wußte gleichfalls eins. »Ein Komödiant, der in Venedig einmal sehr berühmt war«, sagte er, »ist dort der Wirt. Ich hab vor Jahren oft bei ihm gegessen. Gehen wir zu ihm. Es ist nicht weit von hier.«
    Wir hatten, fein Bogen um Bogen, die Arkaden des
    Dogenpalastes passiert, waren rechts eingebogen und wieder vorübermarschiert an Arkaden, und nun passierten wir die Front des Markusdoms mit seinen gebündelten Säulen,
    zwischen denen Menschen ein und aus strömten, darunter viele weiß gekleidete Touristen.
    Hinter dem Dom bogen wir abermals rechts ein, ließen den Uhrturm mit dem goldenen Flügellöwen, der ein goldenes Buch in seinen Klauen trägt, links stehen, sahen rechts Kinder an der Seite des Domes auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher