Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tiefschlag

Tiefschlag

Titel: Tiefschlag
Autoren: John Baker
Vom Netzwerk:
oben sein, wenn sie schließlich liegenblieben. Irgendwo in seinem Hinterkopf machte er sich Sorgen, daß sie womöglich auf dem Mädchen landen könnten, und außerdem war da die quälende Angst, daß die Brüstung, auch wenn sie stark genug gewesen war, ihren Sturz aufzuhalten, das Gewicht von zwei Erwachsenen nicht trug.
    Aber er schüttelte beide Gedanken ab. Er konnte so oder so nichts daran ändern. Wenn die Brüstung nachgab und er sich im freien Fall wiederfand, dann würde er versuchen, noch einen letzten, fetten Schlag unterzubringen, damit Franco bis zu dem Augenblick, an dem er auf dem Asphalt aufschlug, genau wußte, daß das Leben verdammt hart war.
    Während sie weiter auf der Dachschräge kämpften, drehten und drehten sie sich, Hals über Kopf, wie ein Karussell, und die Aussicht wirbelte vom Himmel zum Dach, den Wällen, den Wasserspeiern, dem Turm, während die ganze Zeit der Regen weiter auf sie einschlug.
    Sam landete auf dem Kopf. Er hatte noch Zeit zu denken. «Das ist mit Abstand das letzte, was ich wollte», bevor sein Blickfeld wegkippte. Er kämpfte dagegen an, klammerte sich verzweifelt an sein Bewußtsein, aber in seiner Verwirrung erlangte Franco die Oberhand.
    Das Mädchen stieß einen Schrei aus, und Sam sah, wie Geordie ihr aufhalf und mit ihr über das Dach verschwand. Ihre roten Shorts waren völlig durchnäßt, und Geordie sah aus wie eine klatschnasse Maus.
    Sam lag auf dem Bauch, die Arme und Beine ausgestreckt. Eine Platzwunde auf seinem Kopf blutete. Blut lief ihm in die Augen, und er wischte es mit seinen ohnehin blutverschmierten Händen fort. Er sah alles nur noch verschwommen, konnte das Rot der Shorts des Mädchens erkennen und wußte, daß es Geordie sein mußte, der sie in Sicherheit brachte. Aber wo war Franco?
    Wie zur Antwort wurde er durch einen brutalen Tritt zwischen die Beine nach vorne geworfen. Sein Kinn schrammte über den Stein, und die Luft wurde aus seinen Lungen gepreßt, als Franco ihm einen weiteren vernichtenden Tritt in die Eier verpaßte.
    Und Sam war wieder in Manchester, in Franks Club. Er war auf der Toilette, und Franks zwei Rausschmeißer hielten ihm die Beine auseinander. Sie hatten seinen Kopf ins Pißbecken gedrückt, und er versuchte, wieder hochzukommen, schaffte es aber nicht mehr rechtzeitig. Er hörte, wie Frank ein Bein zurückzog, und dann spürte er den Aufprall, als der Stiefel zwischen seinen Beinen landete. Die Wucht des Tritts stieß ihm den Kopf ins Becken und ließ die Stirn über seinen Augen aufplatzen. Ein dünner Blutfaden vermischte sich mit dem Wasser und der Pisse auf dem Boden des Beckens. «Ich glaube kaum, daß der noch mehr dumme Fragen über Kitty stellen wird.» Dann landete der Stiefel wieder. An der gleichen Stelle zwischen den Beinen. Und wieder. Es ging einfach immer so weiter.
    Es regnete stark, und es gab keinen Schmerz mehr. Der Stiefel kam immer noch rein, aber Sam dachte nicht mehr daran. Er hörte Geordie zum ersten Mal brüllen, reagierte aber nicht. Die Stimme schien so weit weg. Das verschwommene Bild eines Mädchens, das in einem Käfig tanzte. Doch als er zum zweiten Mal hörte, wie Geordie seinen Namen rief, nahm er auch die Eindringlichkeit der Stimme wahr. Wieder landete Francos Schuhspitze zwischen seinen Beinen, und er spürte, wie Franco nach einem sicheren Stand suchte, sich auf den extra kräftigen Tritt vorbereitete.
    Als er ihn kommen spürte, drehte Sam sich von der Brüstung weg und strampelte wild mit den Beinen, erwischte seinen Angreifer am Knie. Franco bekam seinen Tritt nicht mehr unter Kontrolle, und als Sam aufschaute, registrierte er, daß Franco noch ein oder zwei Sekunden auf einem Bein schwankte, bevor er über die Kante ging.
    Sam lauschte auf den langgezogenen, jaulenden Schrei, der schnell leiser wurde, während Franco die Mauern des Minster hinabsegelte.
    Ich vermisse dich jetzt schon, dachte Sam, als er in die Bewußtlosigkeit abglitt. Es war so angenehm. Niemand trat ihm in die Eier. Und er war sowieso ausgepowert, nachdem er all diese vielen Stufen rauf- und runtergerannt war.
     

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
     
    E ine Woche später klopfte Sam um halb zehn abends an Maries Tür. Er war kurz vor acht im Restaurant gewesen und wartete eine Stunde auf die Schottische Witwe, aber sie war nicht mehr gekommen. Sam war ein Privatschnüffler mit einem Riecher für solche Situationen. Um halb neun hatte er messerscharf gefolgert, daß sie nicht sonderlich interessiert war, und um zehn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher