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Tief im Herzen: Roman (German Edition)

Tief im Herzen: Roman (German Edition)

Titel: Tief im Herzen: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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segelte, wie man mit der Takelage umging, wie man Kurs hielt. Und der Nervenkitzel, erinnerte sich Cam, als Ray ihn das erste Mal die Ruderpinne bedienen ließ.
    Es war eine lebensverändernde Erfahrung für einen Jungen, der auf rauhem Pflaster aufgewachsen war – salzige Luft im Gesicht, im Wind knatternde weiße Leinwand, die Schnelligkeit und Freiheit, übers Wasser zu gleiten. Aber vor allem anderen war es das Vertrauen, das in ihn gesetzt wurde. Hier, hatte Ray gesagt, sieh zu, was du aus ihr herausholen kannst.
    Vielleicht war es dieser eine Moment an jenem dunstigen Nachmittag gewesen, als das Laub so dicht und grün war und die Sonne schon als strahlend weißer Ball
hinter den Nebelschleiern stand, der den Jungen in den Mann verwandelt hatte, der er jetzt war.
    Und Ray hatte dabei gelächelt.
    Cam hörte Schritte auf dem Steg, drehte sich jedoch nicht um. Er schaute weiter aufs Wasser hinaus, als Phillip neben ihm stehenblieb.
    »Die meisten sind schon gegangen.«
    »Gut.«
    Phillip schob die Hände in die Hosentaschen. »Sie sind wegen Dad gekommen. Er hätte es zu schätzen gewußt.«
    »Ja.« Müde preßte Cam die Finger auf die Augen, dann ließ er die Hände sinken. »Das hätte er. Mir fiel nichts mehr ein, was ich hätte sagen können, und wie ich es hätte sagen sollen.«
    »Ja.« Obgleich er sein Geld mit fetzigen Sprüchen verdiente, verstand Phillip genau. Er nahm sich einen Augenblick Zeit, um die Stille zu genießen. Es wehte eine kühle Brise und das war eine Erleichterung nach der stickigen Luft in dem überfüllten Haus. »Grace macht in der Küche sauber. Seth hilft ihr. Ich glaube, er schwärmt für sie.«
    »Sie sieht gut aus.« Cam gab sich Mühe, an etwas anderes zu denken. »Schwer, sie sich mit einem eigenen Kind vorzustellen. Sie hat sich scheiden lassen, nicht wahr?«
    »Vor ein oder zwei Jahren. Er ist abgehauen, kurz bevor die kleine Aubrey zur Welt kam.« Phillip atmete tief aus. »Wir müssen ein paar Dinge regeln, Cam.«
    Cam kannte den Tonfall, er bedeutete, daß es um Geschäftliches ging. Sogleich wallte Ärger in ihm auf. »Ich habe daran gedacht, einen Segeltörn zu machen. Heute steht der Wind günstig.«
    »Segeln kannst du später noch.«
    Cam wandte den Kopf, seine Miene war verbindlich. »Ich kann auch jetzt segeln.«
    »Es geht das Gerücht, Dad habe Selbstmord begangen.«
    Cams Gesicht wurde ausdruckslos, dann stieg rotglühender Zorn in ihm auf. »Was zum Kuckuck soll das?« wollte er wissen und sprang auf.
    So, dachte Phillip mit bitterer Befriedigung, das hat dich endlich aufgeweckt. »Es wird spekuliert, daß er absichtlich auf den Mast zugesteuert wäre.«
    »Das ist doch blanker Unsinn. Wer zum Teufel behauptet das?«
    »Man munkelt so was, und einiges davon hat Hand und Fuß. Es hat was mit Seth zu tun.«
    »Inwiefern hat es mit Seth zu tun?« Cam begann auf und ab zu gehen, mit großen, wütenden Schritten überquerte er den schmalen Steg. »Was denn, hielten sie ihn für verrückt, weil er den Kleinen aufgenommen hat? Mann, es war verrückt, überhaupt einen von uns aufzunehmen, aber was hat das mit dem Unfall zu tun?«
    »Hinter vorgehaltener Hand erzählt man, Seth sei sein Sohn, sein leiblicher Sohn.«
    Das ließ Cam jäh innehalten. »Mom konnte keine Kinder kriegen.«
    »Das weiß ich.«
    Die Wut pochte in seiner Brust wie Hammerschläge auf Stahl. »Willst du damit sagen, daß er sie betrogen hat? Daß er sich mit einer anderen Frau zusammengetan und ein Kind gezeugt hat? Grundgütiger, Phil.«
    »Ich behaupte das nicht.«
    Cam trat näher, bis sie sich gegenüberstanden. »Was willst du dann damit sagen?«
    »Ich gebe nur wieder, was ich gehört habe«, erwiderte Phillip gleichmütig, »damit wir uns darauf einstellen können.«
    »Wenn du auch nur eine Spur Mumm hättest, dann hättest du dem, der das gesagt hat, seinen lügnerischen Mund gestopft.«
    »So wie du mir jetzt am liebsten den Mund stopfen würdest. Ist das deine Art, damit umzugehen? Einfach draufzuschlagen, bis der andere verstummt?« Phillip gab Cam einen Stoß, da er allmählich selbst die Beherrschung verlor. »Er ist auch mein Vater, verdammt noch mal. Du warst der erste, aber nicht der einzige.«
    »Warum hast du ihn dann nicht verteidigt, statt dir diesen Müll anzuhören? Hattest du Angst, dir die Hände schmutzig zu machen? Dir deine Maniküre zu verderben? Wenn du nicht ein solcher Schwächling wärst, dann hättest du …«
    Phillips Faust traf Cam sauber am Kinn. Die Wucht
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