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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
Autoren: Joan D. Vinge
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plötzlich verschwände, wenn er versuchen würde, sie zu berühren ... Er schluckte krampfhaft und machte eine knappe, steife Verbeugung. »Herrin«, redete er sie mit ihrem korrekten Titel als Sommerkönigin an, wobei es für ihn ein sonderbares Gefühl war, sich Tiamatanisch sprechen zu hören. »Ich bin der neue Oberste Richter der Hegemonie.«
    »Ich bin nicht die Herrin«, erwiderte die Erscheinung und begann zu seiner Verwirrung zu kichern.
    Er starrte sie so verdutzt an, daß sie wieder anfing zu lachen.
    »Ich bin Ariele Dawntreader.« Sie vollführte eine Bewegung, die als Verneigung durchgehen konnte. »Die Königin ist meine Mutter. Sie hat mich hergeschickt, um Sie zu begrüßen.«
    »Ach«, brachte er hervor. Staunend sah er sie an, zu spät fiel ihm auf, daß sie kein Sibyllenkleeblatt trug und auch am Hals nicht tätowiert war. Es war ihm peinlich, daß er sie angaffte, doch er konnte nichts daran ändern. »Das wußte ich nicht ... Sie sehen ihr so ähnlich, daß ich dachte ...«
    »Er dachte, die Königin hätte das Wasser des Lebens genommen«, fiel Sandrine plump ein.
    Gundhalinu runzelte die Stirn und gab ihm einen Wink, er möge schweigen. Ihm entging nicht, daß das Mädchen bei dieser Bemerkung empört und angewidert dreinblickte.
    »Wir töten keine Mers«, sagte sie und sah Gundhalinu an. Er hörte den Trotz in ihrer Stimme. Jemand legte Ariele beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. Erst jetzt drangen die anderen Leute, die bei ihr waren, in sein Bewußtsein. Bis jetzt hatte er sie nicht beachtet, weil während eines einzigen Herzschlags ein ganzes Leben an ihm vorbeigezogen war; also hatte die Frau, die er aufsuchen wollte, eine Tochter, die so alt war wie sie, als er sie damals verlassen hatte ... –
eine Tochter und einen Ehemann .. .
    Nachträglich nickte er den anderen Mitgliedern des Begrüßungskomitees zu – es waren drei ältere tiamatanische Frauen, von denen zwei das Sibyllenzeichen trugen; eine Frau schien blind zu sein, vermutlich war sie diejenige, mit der Vhanu gesprochen hatte. Die dritte Frau starrte ihn an, als würde sie ihn wiedererkennen, doch ihr Gesicht kam ihm völlig fremd vor. Plötzlich wurde ihm der grundlegende Unterschied zwischen den beiden Gruppen, die sich gegenüberstanden, bewußt – seine Eskorte bestand ausschließlich aus Männern, das Komitee der Königin nur aus Frauen. Er fragte sich, ob Mond dies absichtlich so arrangiert hatte, und wie seine Begleiter diese Situation auffassen mochten.
    »Kommen Sie bitte mit«, sagte das Mädchen und kehrte ihm in unbewußter Arroganz den Rücken zu. Die anderen Frauen machten ihr Platz, höflich, aber keineswegs unterwürfig, und folgten ihr in den Palast.
    Flankiert von seinen eigenen Leuten ging er ihnen hinterher, wie die Nacht dem Tag folgt. Er fragte sich, warum Mond ihre Tochter geschickt hatte, um ihn zu begrüßen; wollte sie ihn an all die Dinge erinnern, die ihm bei ihrem Anblick tatsächlich durch den Kopf geschossen waren – wie die Zeit verging, und daß sie alle sterblich waren, was alles seit ihrem Abschied passiert war? Oder wollte sie ihrer Tochter damit eine Ehre erweisen, einem neugierigen Kind einen Gefallen tun ...
ihrem Kind ...
    Während sie die Eingangshalle durchquerten, betrachtete er die Wandmalereien; anstelle der Bilder, die winterliche Stürme und Schneelandschaften widergaben, fanden sich jetzt Motive, die die Fülle des Sommers priesen. Lebhaft erinnerte er sich, wie er früher bereits durch diese Säle geschritten war, und Einzelheiten drängten auf ihn ein. Plötzlich fiel ihm ein, daß er ja Jerusha PalaThion noch nicht gesehen hatte, eigentlich hätte er sie beim Begrüßungskomitee am Eingang erwartet. Als er damals gegen die Hegemonischen Gesetze verstieß und Mond unterstützte, hatte sie seine Karriere gerettet – und ihre eigene aufgegeben, um auf Tiamat bleiben zu können.
    Öfter als ihm lieb gewesen war, hatte er mit ihr zusammen den Palast betreten; ihr jäher Entschluß, Tiamat nicht mit den anderen zu verlassen, hatte ihn in höchstes Erstaunen versetzt, obwohl er glaubte, ihre Desillusionierung und Frustration zu verstehen. Wenn man berücksichtigte, wie übel ihr die Hegemonie, der sie stets tapfer und loyal diente, mitgespielt hatte, war es vielleicht nicht verwunderlich, daß sie keinen Außenweltler mehr sehen wollte – selbst ihn nicht.
    Unbewußt horchte er auf die Geräusche aus der Grube – das gierige Stöhnen, das die Halle der Winde gefüllt
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