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Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)

Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)

Titel: Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
Autoren: John Grisham
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Rente als uniformierte Gerichtsdiener ableisteten, schickte Tom Finnemore zu einem Tisch links im Raum, während der Tisch von May Finnemore rechts war. April saß mit Mrs. Boone in der Mitte, direkt vor dem Richtertisch.
    Theo hielt es für ein gutes Zeichen, dass die Familie zusammen eintraf. Allerdings sollte er später herausfinden, dass April mit dem Rad gefahren war, während ihre Mutter den gelben Leichenwagen – diesmal ohne den Affen – genommen hatte und ihr Vater zu Fuß gegangen war, weil er sich Bewegung verschaffen wollte. Erst am Eingang zum Gericht hatten sie sich getroffen und waren dann gemeinsam hineingegangen.
    Am Strafgericht, das ein paar Türen weiter im selben Gebäude untergebracht war, bevorzugte Richter Henry Gantry den traditionellen Auftritt. Es entbehrte nicht einer gewissen Dramatik, wenn der Gerichtsdiener »Erheben Sie sich!« brüllte, und alles aufstand, während der Richter mit wehender schwarzer Robe in den Saal rauschte. Da Theo eines Tages ein großer Richter wie Henry Gantry werden wollte, legte er Wert auf diese formelle Eröffnung.
    Welch anderer Beruf brachte schon das Privileg mit sich, dass sich ein ganzer Saal voll Menschen ungeachtet des Alters, des Berufs und des Bildungsgrads erheben musste, wenn man hereinkam? Theo fielen nur drei Beispiele ein: Königin von England, Präsident der Vereinigten Staaten und Richter.
    St. Nick hatte nicht viel für Formalitäten übrig. Er kam, gefolgt von seiner Protokollführerin, durch eine Seitentür herein, trat an den Richtertisch, ließ sich auf einem abgewetzten Chefsessel nieder und blickte sich im Raum um.
    »Guten Morgen«, knurrte er, was mit gemurmelten Erwiderungen quittiert wurde.
    »Tom Finnemore, nehme ich an?«, fragte er mit Blick auf Aprils Vater.
    Der erhob sich lässig. »Das bin ich.«
    »Willkommen zu Hause.«
    »Brauche ich einen Anwalt?«
    »Bleiben Sie sitzen. Nein, Sie brauchen keinen Anwalt. Vielleicht später.«
    Mr. Finnemore lächelte sarkastisch und setzte sich. Theo sah ihn an und versuchte, ihn in seine Erinnerungen von der wilden Party am Samstag einzuordnen. Als Schlagzeuger war er durch sein Instrument halb verdeckt gewesen. Irgendwie kam er Theo bekannt vor, aber am Samstag war keine Zeit gewesen, sich Plunder näher anzusehen. Tom Finnemore war ein attraktiver Mann und wirkte recht respektabel. Er trug Cowboystiefel und Jeans, aber sein Sportsakko war elegant.
    »Und Sie sind May Finnemore?«, fragte St. Nick nach rechts.
    »Ja.«
    »Und Sie vertreten April, Mrs. Boone?«
    »Ja.«
    St. Nick musterte Theo ein paar Sekunden lang mit kritischer Miene. »Theo, was hast du hier zu suchen?«
    »April wollte, dass ich mitkomme.«
    »Ach ja? Bist du Zeuge?«
    »Wenn Sie einen brauchen.«
    St. Nicks Mundwinkel zuckten verdächtig. Seine Lesebrille saß praktisch auf der Nasenspitze, und wenn er lächelte, was nicht oft vorkam, funkelten seine Augen und er sah wirklich aus wie der Weihnachtsmann. »Aber du würdest auch als Anwalt, Gerichtsdiener oder Protokollführer fungieren, stimmt’s, Theo?«
    »Wenn nötig.«
    »Und du könntest die Sache auch als Richter entscheiden?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Mrs. Boone, gibt es irgendeinen vernünftigen Grund, warum sich Ihr Sohn bei dieser Anhörung im Gerichtssaal aufhalten sollte?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Theo, ab in die Schule.«
    Der Gerichtsdiener trat auf Theo zu und deutete mit dem Arm freundlich in Richtung Tür. Theo griff nach seinem Rucksack und sagte: »Danke, Mom.«
    »Wir sehen uns in der Schule«, flüsterte er April auf dem Weg nach draußen zu.
    Dabei hatte er nicht die geringste Absicht, in die Schule zu gehen. Er ließ seinen Rucksack auf einer Bank vor dem Sitzungssaal stehen und rannte nach unten in die Cafeteria, wo er sich einen großen Pappbecher voller Limo kaufte. Damit lief er wieder nach oben und ließ ihn auf den glänzenden Marmorboden fallen, als niemand hinsah. Eis und Limo schwappten heraus und bildeten eine große Pfütze. Theo verlor keine Zeit. Er sprintete am Sitzungssaal vorbei zur nächsten Ecke, hinter der sich ein kleiner Raum befand, der als Abstellkammer und Lager genutzt wurde. Dorthin zog sich Speedy Cobb– der älteste und langsamste Hausmeister in der Geschichte von Stratten County– zurück, wenn er ein Nickerchen halten wollte. Wie erwartet, gönnte sich Speedy dort ein Päuschen, bevor der harte Tag begann.
    »Speedy, ich habe im Gang meine Limo fallen lassen. Alles klebt!«, rief Theo aufgeregt.
    »Hallo,
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