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Themba

Themba

Titel: Themba
Autoren: Lutz van Dijk
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elf Uhr bog ein klappriger Lieferwagen von der Hauptstraße in die Einfahrt ab und ein weißer Mann, etwa in meinem Alter, kletterte heraus. Seine Frau war auf dem Beifahrersitz geblieben und hatte nur die Scheibe heruntergekurbelt. Auf der Rückbank sahen wir vier Kinder neugierig herausschauen, alle noch ziemlich klein, der größte Junge höchstens in deinem Alter, Themba.«
    Tatomkhulu unterbricht sie, indem er ihr und dem fremden Mann ein Glas Wasser reicht: »Nun setzt euch erst mal und trinkt etwas. Und sag uns erst das Wichtigste, Mandi - hast du denn nun Arbeit bekommen?«
    Mutter schüttelt den Kopf, scheint aber gar nicht so betrübt darüber zu sein, wie wir vermutet hätten. »Nein, aber ich habe etwas anderes gefunden«, sagt sie und schaut zu dem Mann in der guten Kleidung. »Um die Wahrheit zu sagen«, fährt sie schließlich fort. »Es gab überhaupt keine Jobs. Alles war mal wieder nur eine aufgeblasene Gerüchteküche. Das weiße Ehepaar ist überhaupt nicht reich. Sie haben erklärt, dass sie das alte Farmhaus und einen kleinen Teil des dazugehörigen Landes nur aufgrund einer Erbschaft kaufen konnten. Und ja, ihr Traum sei es, dort einmal ein Gästehaus zu eröffnen, denn schließlich würden doch jedes Jahr mehr Touristen nach Südafrika kommen. Aber erst mal fangen sie nur mit einem kleinen Laden an, in dem sie Lebensmittel und andere einfache Dinge des alltäglichen Lebens für alle verkaufen wollen, die die Straße zur Küste von Mqanduli nach Gonya benutzen. Und wenn sie irgendwann mal genug Geld verdienen, dann werden sie ganz sicher auch Leute aus der Umgebung einstellen.«
    »Die waren wirklich okay«, ergänzt der Mann, von dem wir immer noch nichts wissen, Mutters Bericht. »Auch ich hatte von den angeblichen Jobs gehört, in Mqanduli. Da war ich am Wochenende zur Beerdigung der Tochter einer guten Freundin. Das Mädchen war gerade dreiundzwanzig...«
    »Erst dreiundzwanzig?«, fragt Großvater Anteil nehmend.
    »Ja.« Der Mann nickt ernst. »Kein Alter, um zu sterben.« Dann hebt er wieder den Kopf und sieht Mutter an: »Es war reiner Zufall, dass wir in der Warteschlange beim Farmhaus nah beieinander standen.«
    »Nicht ganz«, meint Mutter. »Du bist mir wegen deiner ungewöhnlichen Kleidung aufgefallen. Ich dachte erst, du gehörst vielleicht zu den zukünftigen Eigentümern und es kann nicht verkehrt sein, ein Gespräch zu beginnen.« Und dann lässt sie schließlich die Katze aus dem Sack: »Es war der Name jener Bergwerksgesellschaft, die mich aufhorchen ließ. Als du sagtest, dass du dort früher einmal gearbeitet hast, konnte ich nicht anders, als nach Vuyo zu fragen.« Zum ersten Mal, seit ich mich erinnern kann, benutzt sie Vaters Vornamen. Zu uns gewandt, erklärt sie: »Er kannte nicht nur Vater als Kumpel in der Mine, er ist sogar ein entfernter Onkel von ihm, der ihm beim zweiten Mal geholfen hat, dort wieder eine Arbeit zu bekommen.« Und mit einem Blick zu ihm: »Das stimmt doch so, Luthando, nicht?«
    Der Mann nickt erneut und reicht nun auch Nomtha und mir die Hand: »Und wie heißt ihr?«
    Nomtha sagt artig ihren Namen.
    Obwohl ich Mutters Freude verstehen kann, endlich jemanden gefunden zu haben, der unseren Vater kennt, spüre ich tief in mir ein diffuses Unbehagen und gebe ihm nur schweigend meine Hand.
    »Sagt doch einfach Onkel Luthando«, schlägt Mutter arglos vor. Sie hat nichts von meiner Reserviertheit gemerkt. An diesem Tag zieht Onkel Luthando zu uns und nimmt als Vaters Verwandter einfach dessen Platz in unserer Familie ein. Als sei das ganz selbstverständlich. Na ja, oft ist es das ja auch. Trotzdem, finde ich, hätte er wenigstens fragen können, schließlich gehört ihm hier nichts, und wir schon gar nicht.
    Zunächst scheint Mutter Recht zu behalten mit ihrer Freude über den unerwartet aufgetauchten Verwandten ihres verschwundenen Mannes. Bescheiden richtet er sich ein Lager auf dem kahlen Boden gegenüber unserer und Mutters Bettstelle her. Aus seinem Koffer holt er schon am nächsten Morgen einfache Arbeitskleidung und beginnt, während wir zur Schule gehen und Mutter einer schwangeren Nachbarin hilft, unaufgefordert kleinere Dinge am Dach zu reparieren und ein neues Beet im Garten anzulegen, für das er aus eigener Tasche von einem Nachbarn Tomatenpflanzen kauft.
    Die folgenden Abende sitzen er und Mutter bis spät in die Nacht zusammen und berichten einander alles, was sie über Vater wissen.
    »Er hat ihn wirklich gekannt, daran besteht kein
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