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Themba

Themba

Titel: Themba
Autoren: Lutz van Dijk
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Morgen als Erste auf.
    »Ob ich in Ordnung bin?«, fragt er zurück und zieht dabei seine Augenbrauen hoch. »Kinder, ich habe die besten Nachrichten seit langem für euch: Das verlassene Farmhaus an der Straße, die zur Küste führt, wird übernommen von Leuten mit viel Geld, die dort ein Gästehaus, einen Spaza-Shop und was weiß ich noch alles aufbauen wollen. Ich habe es selbst erst gestern Abend gehört. Wisst ihr, was das bedeutet?« Großvater schaut uns erwartungsvoll an. Bevor wir auch nur den Mund aufmachen können, fährt er begeistert fort: » Imisebenzi - Jobs! Es wird Arbeit geben... erst für Bauarbeiter, dann später für Leute, die gebraucht werden, um im Gästehaus sauber zu machen, zu bedienen und im Laden zu verkaufen. Mandi, mach dich auf, damit du zu den Ersten gehörst, wenn die Jobs vergeben werden... Der neue Boss soll heute zum ersten Mal vor Ort sein!«
    Noch während Tatomkhulu spricht, hat Mutter ihre Hände getrocknet und die Schürze abgebunden.
    Imisebenzi - Jobs! Ein Zauberwort, auf das die meisten hier wie elektrisiert reagieren. Imisebenzi , das bedeutet Hoffnung auf bares Geld, auf einen Lohn, egal wie gering der auch sein mag: sich endlich einmal wieder satt essen, vielleicht sogar mit einem richtigen Stück Fleisch, und dann natürlich die dringend nötige Kleidung für den Winter, Saatgut für das Frühjahr, vielleicht sogar ein neues Möbelstück oder die immer wieder aufgeschobene Reparatur des Strohdachs.
    »Ich weiß, wo das alte Farmhaus ist«, antwortet Mutter ernst. Sie steht vor dem Spiegel, zieht sich ihr bestes Kleid an und bürstet sich sorgfältig die Haare.
    »Dürfen wir mit?«, fragen Nomtha und ich fast gleichzeitig.
    Mutter überlegt einen Moment. »Nein, das sieht nicht gut aus«, entscheidet sie dann. »Ich muss dort allein auftauchen und darf nicht zu ärmlich aussehen, sonst klappt es nicht.« Und dann ist sie auch schon aus dem Haus.
    Großvater setzt sich zu uns und gießt sich aus der alten Blechkanne Tee in eine Tasse, die noch vom Frühstück auf dem Tisch steht. Nun können wir nur noch warten.

    Am frühen Nachmittag, als wir aus der Schule heimkommen, ist Mutter immer noch nicht zurück. Langsam werden wir unruhig. Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? »Ein gutes«, sagt Tatomkhulu bestimmt. »Wahrscheinlich haben sie sie sofort angestellt und sie hat schon angefangen zu arbeiten. Eure Mutter kann lesen und schreiben, gut kochen und putzen, sie ist zuverlässig und sieht gut aus und...« Dann zögert er einen Moment in der stolzen Beschreibung seiner Tochter und fügt, einer möglichen Enttäuschung vorbeugend, hinzu: »Wenn es nur genug Jobs gibt...«
    Erst als es am frühen Abend schon schummrig wird, hören wir Nomthas aufgeregte Stimme aus dem Garten: » uMama ubuyile - Mama kommt zurück!« Großvater und ich springen auf, um ihr entgegenzulaufen. An der Tür bleiben wir wie angewurzelt neben Nomtha stehen: Mutter ist nicht allein! Sie wird begleitet von einem älteren Mann, mit dem sie sich angeregt unterhält und den wir noch nie im Leben gesehen haben.
    Er ist mindestens zehn Jahre älter als Mutter, groß und kräftig und trägt einen stabilen Lederkoffer. Seine Kleidung lässt darauf schließen, dass er nicht arm ist und aus der Stadt kommt - fast neue Lederstiefel, dunkler Anzug und ein leichter Sommermantel, den er über dem Arm trägt. Als die beiden fast vor uns stehen, sehe ich, dass an seinem Handgelenk eine moderne Uhr funkelt.
    » Molo Tatomkhulu«, begrüßt er Großvater als den Ältesten zuerst.
    » Molo Mnumzana«, erwidert Tatomkhulu, wobei er ihn höflich als »Herrn« anspricht.
    Der Mann lächelt bescheiden und sagt: »Ich bin einer von euch, kein Herr. Mandisa wird euch gleich berichten. Es ist wie ein Wunder, dass wir uns begegnet sind.« Er wischt sich mit einem sauberen Taschentuch den Schweiß von der hohen Stirn. Trotz des langen Fußmarsches scheint er ansonsten kein bisschen erschöpft zu sein.
    Mutter lacht aufgeregt und sucht offenbar noch nach den richtigen Worten, um für uns die Ereignisse des Tages zusammenzufassen: »Erst ging alles schief. Als ich bei dem alten Farmhaus ankam, standen dort bestimmt schon über hundert Frauen und ein paar Männer, die alle wie ich auf einen Job hofften, wobei bis zu dem Moment niemand eine Ahnung hatte, wie viele es überhaupt geben würde. Und während wir vor dem verschlossenen Tor zur Farm warteten, kamen immer noch mehr hinzu. Und dann der Schock: Etwa gegen
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