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The Sign Bd. 1 Nur zu deiner Sicherheit

The Sign Bd. 1 Nur zu deiner Sicherheit

Titel: The Sign Bd. 1 Nur zu deiner Sicherheit
Autoren: Julia Karr
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wirkte. Ich drückte auf den Infoknopf, woraufhin die Holografie die berühmte Gettysburg-Rede zu rezitieren begann. Ich sollte mir mehr Zeit nehmen und mich mit Lincolns Ansichten beschäftigen – Freiheit und Gleichheit für alle. Doch bei all den Schul- und Kunststunden und dem Leben an sich blieb kaum noch ausreichend Zeit, um neben den obligatorischen Hausaufgaben auch noch andere Dinge zu lernen, denn nicht einmal die schaffte ich immer komplett.
    Ehe die Aufzeichnung zu Ende war, hatte ich Lincoln und alles andere bereits wieder vergessen. Meine Aufmerksamkeit war jetzt gefesselt von dem Anblick, der sich mir direkt vor meiner Nase bot. Ich schleppte mich weiter durch die Szenerie aus leuchtenden Herbstfarben. Die Bäume glichen riesigen Kerzen. Ihre feurigen Blätter wirkten wie Funken, die flogen, wohin der Wind sie trieb. Begleitet von einem Rascheln ging ich über die am Boden liegenden Blätter und genoss das Knistern und das Knacken und den erdigen Duft, der mir in die Nase stieg. Ich fühlte mich erleichtert, irgendwie befreit. So ging es mir immer, wenn ich irgendwo in der Natur war. Wenn man nicht jenseits der Bäume auf die Gebäude blickte, konnte man sich glatt vorstellen, man wäre eine Million Meilen von der Stadt entfernt. Vielleicht sogar draußen bei der Mill Run Farm mit den Kühen und Pferden. Dann bräuchte ich mir wegen rein gar nichts Gedanken zu machen.
    Bald war ich an dem grasbewachsenen Hügel angekommen, den ich immer gern als »meinen Berg« bezeichnete. Ein seltsames, animalisches Geräusch war zu hören und für einen kurzen Augenblick bekam ich es mit der Angst zu tun. Ach, komm schon, dachte ich, was sollen in diesem Park schon für Tiere frei rumlaufen? Eichhörnchen? Oder Streifenhörnchen? Nein, die waren alle ganz und gar nicht Furcht einflößend. Doch der Lärm wurde lauter, und mir wurde klar, dass da etwas nicht stimmen konnte. Ich stieg auf den Hügel hoch und sah auf der anderen Seite hinunter.
    Drei Typen waren gerade dabei, einen vierten zu verprügeln, der zusammengekrümmt auf dem Boden lag, die Arme schützend um den Kopf geschlungen. An seiner Kleidung konnte ich erkennen, dass es sich um einen Obdachlosen handelte.
    Ich hätte mich auf der Stelle umdrehen und wegrennen sollen, doch das tat ich nicht.

V
    »Hört auf!«, schrie ich.
    Die drei Jungs, ihren Jacken nach zu schließen Athleten vom College, hörten sofort auf, den Typen zu vermöbeln, und drehten sich um.
    Einer von ihnen, ein kräftiger Kerl mit zurückgegeltem braunem Haar und kleinen Schweinsäuglein, sah mich lüstern an. »Na, bist du schon sechzehn?«
    »Nein«, sagte ich piepsig und hielt ihm mein Handgelenk hin. Und in dem Moment begriff ich, in welcher Gefahr ich schwebte, so ganz allein in einem abgelegenen Bereich des Lincoln Park, wo ich drei Sportskanonen gegenüberstand, die nur auf Ärger aus waren. Denen war egal, ob ich minderjährig war oder nicht. Denn Athleten konnten tun und lassen, was sie wollten. Ich hatte keine Chance, ihnen zu entkommen, deshalb blieb ich standhaft an Ort und Stelle, in der Hoffnung, ein finsterer Gesichtsausdruck könnte meine Furcht überspielen.
    Der größte der drei zupfte Schweinsauge am Ärmel. »Komm schon, der Coach schickt uns auf die Ersatzbank, wenn wir wieder zu spät kommen.«
    Doch Schweinsauge schüttelte ihn ab und fixierte mein Gesicht. Dann glitt sein Blick langsam an mir nach unten. »Oh, Baby, davon hätte ich gern ein wenig.« Er griff sich in den Schritt und stieß mit den Hüften in meine Richtung, ehe er sich umdrehte und seinen Kumpels hinterherrannte. Ich hätte mich am liebsten auf der Stelle übergeben.
    Als sie an dem Typ, der immer noch am Boden lag, vorbeikamen, verpasste Schweinsauge ihm noch einen letzten Tritt.
    Endlich verschwanden sie zwischen den Bäumen. Ich zitterte dermaßen, dass ich schon befürchtete, ich würde wie ein heulendes Häufchen Elend zusammenbrechen, sobald ich versuchte, auch nur einen Schritt zu machen. Der Obdachlose lag immer noch da wie ein zerlumptes Riesenbaby. Ich hätte gehen sollen; jeder andere Mensch hätte ihn einfach dort liegen lassen.
    Obdachlose sind nämlich nicht viel mehr wert als Wasserratten, vielleicht sogar noch ein bisschen weniger. Sie werden zusammengeschlagen und umgebracht, ohne dass das irgendjemanden juckt. Niemand, der einigermaßen bei Verstand ist, lässt sich mit ihnen ein. Ich schätze allerdings, dass ich in dem Moment tatsächlich nicht ganz bei Sinnen war. Obwohl
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