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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile
Autoren: Stephen King
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den Namen meiner Frau. Ich trat einen Wecker zur Seite, daran erinnere ich mich, und ich habe in Erinnerung, dass ich einen toten Jungen, ungefähr dreizehn Jahre alt, zwischen Glasscherben liegen sah, er hatte P.-F.-Flyers an den Füßen, und sein halbes Gesicht fehlte. Ich spürte, wie der Regen auf mein Gesicht prasselte, und als ich unter der Brücke hindurchging, hörte es für eine Weile auf. Als ich auf die andere Seite kam, war es wieder da und der Regen trommelte gegen meine Wangen und die Stirn. Beim zerschmetterten Führerhaus des umgekippten Trucks mit Düngemitteln sah ich Jan. Ich erkannte sie an ihrem roten Kleid – es war ihr zweitbestes. Das beste hatte sie natürlich für die Abschlussfeier in der Uni aufbewahrt. Sie war nicht ganz tot. Ich habe oftmals gedacht, es wäre besser gewesen – wenn nicht für mich, dann für sie -, wenn sie sofort tot gewesen wäre. Es hätte mir vielleicht ermöglicht, sie ein bisschen eher aufzugeben, ein bisschen natürlicher. Oder vielleicht mache ich mir da auch nur etwas vor. Ich weiß nur mit Sicherheit, dass ich sie nie aufgegeben habe, nicht wirklich.
    Sie zitterte am ganzen Körper. Einer ihrer Schuhe war vom Fuß gerissen worden, und ich sah, dass der Fuß zuckte. Ihre Augen waren offen, aber ausdruckslos, das linke war voller Blut und als ich neben ihr im rauchig riechenden Regen auf die Knie fiel, konnte ich nur denken, dass dieses Zucken bedeutete, dass sie auf dem elektrischen Stuhl saß; sie war unter Strom gesetzt worden, und ich musste den Strom abschalten, bevor es zu spät war.
    »Helft mir!«, schrie ich. »Helft mir! Jemand muss mir helfen!« Keiner half, niemand kam zu mir. Der Regen trommelte – starker, prasselnder Regen, der mir mein damals noch schwarzes Haar gegen den Kopf presste -, und ich hielt sie in meinen Armen, und keiner kam. Ihre ausdruckslosen Augen blickten zu mir auf, in einer Art benommener Intensität, und Blut strömte wie ein Sturzbach aus ihrem zertrümmerten Hinterkopf. Neben einer zitternden, krampfhaft zuckenden Hand lag ein Stück verchromter Stahl mit den Buchstaben GREY darauf. Daneben lag ungefähr ein Viertel von dem, was ein Geschäftsmann mit braunem Anzug gewesen war.
    »Helft mir!«, schrie ich wieder und wandte mich zur Brücke, und da sah ich John Coffey im Schatten stehen, selbst nur ein Schatten, ein großer Mann mit herabhängenden Armen und kahlem Kopf. »John!«, schrie ich. »O John, bitte, hilf mir! Bitte, hilf Janice!«
    Regen lief mir in die Augen. Ich blinzelte ihn fort, und John war verschwunden. Ich konnte die Schatten sehen, die ich für John gehalten hatte … aber es waren nicht nur Schatten gewesen. Dessen bin ich mir sicher. Er war dort. Vielleicht nur als ein Geist, aber er war dort, und der Regen auf seinem Gesicht vermischte sich mit der endlosen Flut seiner Tränen.
    Sie starb in meinen Armen, dort im Regen neben dem Truck mit Düngemitteln und im Geruch von brennendem Diesel. Sie kam nicht mehr zu Bewusstsein – ihr Blick wurde nicht klar, die Lippen formten keine letzte, gewisperte Liebeserklärung. Ich spürte eine Art Schüttelkrampf unter meinen Händen, und dann war sie fort. Ich dachte zum ersten Mal seit Jahren wieder an Melinda Moores, Melinda, die im Bett saß, obwohl all die Ärzte im Krankenhaus von Indianola geglaubt hatten, sie würde sterben; Melinda Moores, die frisch und ausgeruht war und John Coffey mit glänzenden, staunenden Augen anblickte. Melinda, die sagte: Ich habe geträumt, Sie wären in der Dunkelheit umhergewandert, und ich auch. Und wir haben einander gefunden.
    Ich ließ den verstümmelten Kopf meiner Frau auf den nassen Asphalt des Highways sinken, erhob mich (es war leicht; ich hatte nur einen kleinen Schnitt an der linken Hand, das war alles) und schrie seinen Namen in die Schatten unter der Brücke. » John! JOHN Coffey! WO BIST DU, GROSSER JUNGE?«
    Ich ging auf diese Schatten zu, trat einen Teddybär mit Blut auf dem Fell zur Seite, eine Brille mit nur einem Glas, eine abgetrennte Hand mit einem Granatring am kleinen Finger. »Du hast Hals Frau gerettet, warum nicht meine? Warum nicht Janice? WARUM NICHT JANICE? «
    Keine Antwort; nur der Gestank des brennenden Diesels und der brennenden Leichen. Nur der Regen fiel unablässig aus dem grauen Himmel und trommelte auf den Asphalt, während meine Frau auf der Straße hinter mir lag. Keine Antwort damals, und keine Antwort jetzt. Aber John Coffey hatte 1932 nicht nur Melly Moores oder Dels Maus gerettet,
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