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Teuflische Schwester

Teuflische Schwester

Titel: Teuflische Schwester
Autoren: John Saul
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Gestern hatte Melissa D’Arcy gebeichtet, was sie
ihrem Vater versprochen hatte. Sie würde nie wieder mit
ihr sprechen. D’Arcy war sofort einverstanden gewesen.
»Aber ich werde immer an dich denken«, hatte Melissa
ihrer Freundin versichert.
    Obwohl D’Arcy nichts gesagt hatte, war Melissa davon
überzeugt, daß ihre Freundin genau wußte, was sie meinte.
Das war auch das Wunderbare an D’Arcy. Selbst wenn
sonst niemand Melissa verstand, D’Arcy verstand sie
immer.
    Melissa seufzte. Es fiel ihr schwer, die Freundin
aufzugeben, viel schwerer noch als das Puppenhaus. Na ja,
vielleicht konnte sie ein bißchen mogeln. Vielleicht behielt
sie das Puppenhaus und tat einfach so, als redete sie mit
den kleinen Holzfiguren in den Zimmern, wenn sie sich
tatsächlich mit D’Arcy unterhielt. Freilich, sie würde
immer wissen, daß sie schummelte, auch wenn sie damit
vielleicht ihre Eltern und Cora hinters Licht führte.
    »Weißt du was?« sagte sie, ohne zu merken, daß sie
wieder laut sprach. »Du kannst das Puppenhaus haben. Ich
stelle es auf den Speicher und dann komme ich dich
manchmal besuchen. Und wenn du dann da bist, kann ich
ja nichts dafür, oder?«
    Von weit weg, aus den Tiefen ihrer Fantasie, hörte sie
ein Lachen. Es war bestimmt das von D’Arcy.
Sie stand auf und ging zum Fenster. Es war schon warm.
Der Himmel war klar und wolkenlos. Todd, Coras
vierzehnjähriger Enkel, hatte bereits den Rasen gemäht, so
daß Melissa den Duft von frischem, feuchtem Gras
einatmete. Der Rasen erstreckte sich in einer sanften
Neigung über fünfzig Meter bis hin zum Strand. Die
Wellen plätscherten heute friedlich in die Bucht und
brachen sich mit einem gedämpften Zischen. Stetig
spülten sie einen weißen Teppich aus Schaum auf den
Sand und deckten die Spuren der vor ihnen
herumstaksenden Vögel zu.
Melissas Blicke wanderten über den Strand. Genau so
hatte sie ihn am liebsten. Er war so gut wie verlassen. Nur
wenige Leute sonnten sich weiter draußen auf dem
Sandstrand vor dem Cove Club. Zwischen ihrem Haus und
dem Club im Süden der Bucht lagen nur fünf weitere
Villen. Keine davon war so groß wie die der Holloways,
aber alle waren von gepflegten Rasen und Gärten
umgeben. Und weil die meisten anderen Jugendlichen fast
die ganze Zeit im Club herumhingen, betrachtete Melissa
den Strand als ihr persönliches Eigentum.
Sie zog sich hastig die Jeans und ein T-Shirt an. Das TShirt hatte Todd ihr nach langem Bitten geschenkt. Unten
wartete sicher schon ihr Vater auf sie. Sie beschloß, daß
sie als erstes einen ausgedehnten Spaziergang am Strand
unternehmen würden. Sie wollte in Richtung Norden
laufen, weit weg vom Club, und vielleicht auf die
Felsenklippe klettern, die Secret Cove vom anderen Teil
der Bucht abschnitt. Als sie wenig später die Treppe
hinunterging, hatte sie sich schon mehr für den ganzen
Tag vorgenommen, als sie und ihr Vater wirklich
ausführen konnten. Dennoch sollte ihr heute alles recht
sein. Hauptsache war, daß sie Geburtstag hatte. Egal, was
für dringende Geschäfte Daddy zu erledigen hatte, heute
würde er den ganzen Tag mit ihr verbringen, mochte ihre
Mutter das für so kindisch halten, wie sie wollte.
Melissa mußte lächeln bei der Erinnerung an das
Gespräch, das sie letzten Sonntag zufällig mitgehört hatte.
Ihre Eltern hatten es geführt, kurz bevor ihr Vater für die
letzten drei Tage vor ihrem Geburtstag nach New York
geflogen war.
»Sie wird jetzt dreizehn, Charles«, hatte ihre Mutter
gemeint. »In dem Alter ist sie kein Baby mehr, und da
macht es ihr bestimmt auch nichts aus, wenn du erst
Freitag abend zurückkommst.«
Mit angehaltenem Atem hatte Melissa auf die Antwort
ihres Vaters gewartet: »Es ist ihr Geburtstag, egal wie alt
sie wird, und ich werde ihn mit ihr verbringen. Darauf
freut sie sich ja auch schon so lange.« Melissa hatte
aufgeatmet.
Der Rest hatte Melissa nicht mehr interessiert, denn sie
wußte, daß ihre Mutter Daddy von keinem Vorhaben
abbringen konnte, wenn er sich einmal festgelegt hatte.
Das hieß, daß das heute ihr Tag war und daß Daddy ihr
jeden Wunsch erfüllen würde, selbst wenn sie nur am
Strand herumtollten und sich Geschichten über die
Wolken ausdachten. Das hatten sie letztes Jahr getan.
Beim Abendessen hatte ihre Mutter sie dann angestarrt, als
hätte sie eine Verrückte vor sich. Und ein Jahr danach
noch hallten ihre ärgerlichen Worte in Melissas Ohren
wider: »Eins muß man dir lassen.
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