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Test: Phantastische Erzahlungen

Test: Phantastische Erzahlungen

Titel: Test: Phantastische Erzahlungen
Autoren: Stanislaw Lem
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den Graben, duckte sich hinter einem Busch und erstarrte. Er war nicht besonders kühn, aber er vergaß nie seine Berufspf ichten. Die maßlose Neugier des Gelehrten war sein Verderb. Gerade hatte er mit Mühe an der Luke des Telepathikus den ersten gedolmetschten Satz des Geschöpfes gelesen: »Vierbeiniges Säugetier weiblichen Geschlechts, mit einem Teil eines vierrädrigen Fahrzeugs im Rahmen eines religiösen Ritus traktiert …« – da heulte es über seinem Sepiakopf auf, und ihn traf ein tödlicher Hieb.

    Um die Mittagszeit fanden die ersten Pf üger aus Schmudorf im Graben am Waldrand den Franek Jołas, der in einen todesähnlichen Schlaf versunken war. Als er erwachte, erklärte er, er habe am Tage zuvor einen Streit mit Franek Pajdrak gehabt, dem Leiter der Maschinenstation, und außerdem mit ein paar schleimigen Brüdern. Zur gleichen Zeit fast eilte Józek Guśkowiak aus dem Wald herbei und schrie, an der Weggabelung lägen verprügelte und verstümmelte Gestalten.
      Nun zog das ganze Dorf dorthin.
      Und in der Tat, an der Wegkreuzung fanden sie zwei Ungeheuer – das eine hinter dem Graben, das andere vor dem Loch, in dem der Pfahl gesteckt hatte, und daneben eine große Puppe mit zerschlagenem Kopf. Einige Kilometer weiter, im Erlenhain, entdeckten sie bald darauf die Rakete.
      Ohne viel Gerede gingen die Dörf er an die Arbeit. Bald war von den Astronauten keine Spur mehr zu sehen. Mit der Anamargoprateksinlegierung f ickte der alte Jołas das Dach seines Schweinestalls, das schon lange auf eine Ausbesserung gewartet hatte; die Haut des Aldolicho ergab, nach Hausmacherart gegerbt, achtzehn Paar leidliche Schuhsohlen; mit dem Telepathikus, dem universalen Interglokokommunikator, wurde das Kleinvieh gefüttert, ebenso mit den Resten des Warners Teremtak. Die sterblichen Hüllen der beiden Aldebaraner wagte keiner dem Vieh vorzuwerfen – es hätte krank werden können. So wurden sie, mit Steinen beschwert, in den Teich geworfen.
      Am längsten beratschlagten die Einwohner von Schmudorf wohl darüber, was sie mit dem Ultrapenetronenmotor des Astromaten anfangen sollten, bis endlich Jedrek Barciok, der gerade zur Heumahd gekommen war, diese hyperspatiale Einrichtung zum Brennen von ganz annehmbarem Schnaps verwandte. Anka, Józeks Schwester, leimte geschickt den geborstenen Kopf der Puppe mit Eiweiß und

brachte die Figur ins Kommissionsgeschäf der Kleinstadt. Sie verlangte dafür dreitausend Złoty, aber dem Geschäf sführer war diese Summe zu hoch, zumal sich der Sprung im Kopf nicht verbergen ließ.
      So war das einzige, was das wachsame Auge des Reporters vom »Echo« entdecken konnte, als er am selben Tage nachmittags mit dem Wagen der Redaktion zur Reportage erschien, der neue, recht solide Anzug des Jołas, den man dem künstlichen Zweibeiner ausgezogen hatte. Der Journalist befühlte sogar eine Falte des Stof s und staunte über dessen hervorragende Qualität.
      »Den habe ich von meinem Bruder in Amerika«, erwiderte Jołas seelenruhig, nach der Herkunf des Gewebes befragt. So berichtete der Reporter in dem Artikel, der abends seiner Feder entsprang, nur von dem erfolgreichen Verlauf der Auf aufaktion – erwähnte aber mit keinem Wort den Fehlschlag der Invasion der Aldebaraner auf die Erde.

    *

    Von der Rechenmaschine, die mit
    dem Drachen kämpfte

    König Poleander Partobon, Herrscher über Kybera, war ein großer Krieger, und da er den Methoden der neuzeitlichen Strategie huldigte, schätzte er die Kybernetik als Kriegskunst über alles. In seinem Königreich wimmelte es von denkenden Maschinen, denn Poleander brachte sie überall an, wo er nur konnte, keineswegs allein in astronomischen Observatorien oder in Schulen; sogar den Steinen auf den Straßen ließ er Elektronenhirne einsetzen, die dem Fußgänger Warnungen zuriefen, damit er nicht stolperte; auch in Masten, Mauern und Bäumen ließ er sie anbringen, damit man sich allenthalben nach dem Weg erkundigen konnte. Er hängte sie unter die Wolken, damit sie von oben den Regen ankündigten, er teilte sie den Bergen und den Tälern zu, kurz, auf Kybera war es unmöglich, einen Schritt zu tun, ohne auf eine vernunf begabte Maschine zu stoßen. Schön war es auf dem Planeten, denn der König befahl nicht nur durch Dekrete, all das, was vorher bestanden hatte, kybernetisch zu vervollkommnen, sondern er führte durch Gesetze völlig neue Verhältnisse ein. So wurden denn in seinem Königreich brummende Kyberbienen und
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