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Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Titel: Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus
Autoren: Stephan Peters
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grünes Kleeblatt, da ist wieder Hoffnung. Ein Falter fliegt 'gen Himmel.
    Das Licht entschwebt dem Raum.  
     
     
    Lars fragte voller Panik: Woher hast du das Gedicht?“  Das Mädchen wurde ernst, dann weinte es.
    „Vor ein paar Jahren hat es der Rabe Nimmermehr aus dem nächtlichen Himmel fallen lassen. Und ich finde es sooo schön! Da schreibt jemand von Liebe und Treue. Also etwas, was ich nie, niemals bekommen werde.“ Terry presste sich an die Brust von Lars, der sie streichelte und ihr einen Kuss aufs Haar gab. Dort duftete es nach Moos, Erde und Laub. „He“, sagte er leise. „Irgendwann kommt ein wunderbarer Ritter ins Tal zu dir und nimmt dich zur Frau!“ Sie blickte hilfesuchend zu ihm auf.
    „Wirklich? Versprichst du mir das?“
    „Ja, ich verspreche es dir hoch und heilig.“ In diesem Moment glaubte Lars selber an seine Worte. Aber gleichzeitig wusste er, dass das Kind den Verstand vor Einsamkeit  verloren hatte. Terry fuhr plötzlich zusammen und verkrallte sich in Lars’ Arm.
    „Da! Sieh!“ sagte sie leise. Er blinzelte und entdeckte in der frühen Abenddämmerung eine krumme Gestalt, die sich durchs Gelände quälte. Ein alter Mann in langem, verschlissenem Mantel; eine Flasche lugte aus der Tasche heraus.
    „Typen wie der kommen immer um diese Zeit hierher“, sagte Terry und kräuselte dabei verächtlich die Nase. „Penner sind das – nach Pisse und Wichse stinkende alte Penner“. Sie kratzte sich die Arme, so lange, bis sie fast blutig waren. „Sie sind eklig, lebende Tote. Nicht so wie wir! Wir sind jung, gesund und haben Phantasie. Und wir sind – schööön.“
    Bei „schön“ sah er sie skeptisch von der Seite an.
    „Ja, schön! Ach, du weißt überhaupt nichts!“ Wütend trat sie auf den Boden. Lars fühlte sich unwohl. Ihr plötzlicher Ausbruch kam zu überraschend. Der Landstreicher war inzwischen in den Wald hinein gehumpelt und sang ein obszönes Lied. „Hier trauen sich die Feiglinge nicht hinein“, sagte Terry hämisch. Sie sahen den Mücken zu und dem Mond, der hinter einer Lagerhalle erschien. Lars kam es vor, als würde hier die Zeit zu schnell vergehen. Irgendwo im Dunkeln kreischten Nachtvögel; sie machten sich wohl über ein Tier her. Terry fing an, an ihrem Gürtel herumzufingern. Sie öffnete die Schnalle und zog das Leder vorsichtig durch die Schlaufen der alten Jeans. Ein Ende wickelte sie langsam um ihr rechtes Handgelenk. Ebenso langsam ließ sie den Gürtel von oben nach unten an der Innenseite ihrer Schenkel wie ein Jo-Jo entlang gleiten. Vorbei an Brust und Bauch, die Schenkel erkundend und wieder nach oben wie eine Schlange. Van Akkeren beobachtete sie erst gelangweilt, dann erregt. Seine Augen glitten über das Leder, das Terry zwischen die Schenkel gleiten ließ. Lächelnd beobachtete das Mädchen die Augen von Lars, der sie wie hypnotisiert anstarrte. Wieder war es unerträglich schwül. Warum ist sie nicht etwas älter, dachte er. Und warum nicht etwas schöner? Er wischte sich mit dem Zeigefinger den Schweiß aus dem Hemdkragen. „Hast du eigentlich schon gesehen, welche Umrisse die Fabrik hat?“ Terry riss ihn aus seinen Gedanken.
    „Wie ein Stern“, sagte er prompt und ärgerte sich über die Unterbrechung. „Wie ein Stern mit ’nem Schornstein auf der Spitze“, fügte er hinzu, wobei seine Augen wieder über ihren Gürtel glitten, dessen spitze Zunge Terrys Bauch berührte, als warte sie darauf, zustoßen zu können.
    Lars schlug die Knie übereinander; sie durfte das nicht sehen.
    „Dein Stern ist ein Pentagramm“, erklärte Terry. „Fünf Spitzen hat die Fabrik, weißt du? Ganz oben auf der Spitze ist der Kopf, also der Kamin, der zur Straße führt. Man könnte das Pentagramm auch für einen riesigen Falter halten, meinst du nicht auch?“ Lars hatte jetzt zu wirren, architektonischen Belehrungen, keine Meinung. Vor allem wollte er von dem Falter nichts hören.
    „Hinten, auf der anderen Seite, sind der Fluss und die Berge, die alles abgrenzen. Weißt du eigentlich, dass ein Pentagramm die Form eines Menschen hat? Wenn oben der Kopf ist, ist dies ein Zeichen für geistige Gesundheit“, dozierte sie weiter. „Aber andersherum, wenn das Pentagramm einen Kopfstand macht, bedeutet es Tod! Dieser Ort ist verdammt. Genau so wie dieses Kind, dachte er entsetzt. Und beide machen dich noch vollends wahnsinnig! Bloß weg von hier! Ich bin an einem Ort von Wahnsinn, Okkultismus und latenter Erotik. Wenn ich hier bleibe, wird der
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