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Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Titel: Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
Autoren: Johanna Marthens
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anderen Seite hat der Krebs durch Ihr relativ junges Alter auch genügend Kraft, schnell zu wachsen. Es ist schwer zu sagen, was passieren wird. Es hängt alles von zu vielen Faktoren ab.“
    „Was heißt das?“
    „Das heißt, dass ich keine Prognose abgeben kann. Es tut mir leid.“
    Wenn er ihr das nicht mitteilen konnte, dann kannte er vielleicht die andere Zeitspanne. Die, über die sie ungern nachdenken wollte. Aber es war immer gut zu wissen, woran man war, dachte sie. „Und wenn ich Operation und Chemo ablehnen würde? Wie viel Zeit hätte ich dann?“
    Er sah aus, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. „Vielleicht ein Jahr. Maximal.“
    Sie schluckte hart. Da war es, das Todesurteil.
    „Ich werde mit meinem Mann besprechen, wie wir das mit der Operation regeln, wann sie stattfinden soll“, sagte sie heiser.
    „Ist bei Ihnen wieder alles in Ordnung?“ Der Arzt klang besorgt. „Sie hatten erzählt, dass Ihr Mann eine Trennung in Erwägung zieht. Es wäre wichtig, dass Sie jetzt jemanden haben, der Ihnen zur Seite steht.“
    „Er wird bei mir bleiben, wenn er das hört. Und er wird wieder alles mit mir durchmachen, wie auch schon die anderen beiden Male zuvor. Wir kennen uns damit aus.“ Sie versuchte ein weiteres Lachen, das genauso kläglich scheiterte wie das erste.
    Doktor Loträger zeigte sein optimistisches Gesicht. „Sagen Sie mir Bescheid, wann es Ihnen am besten passt. Sie können sich auch so melden, wann immer Sie wollen und noch Fragen haben. Aber lassen Sie sich mit Ihrer Entscheidung nicht zu viel Zeit. Je schneller, desto besser.“
    Sie stand auf. Das Wichtigste war gesagt.
    „Vielen Dank, Doktor Loträger.“
    Er schüttelte die dargereichte Hand. „Danken Sie mir nicht dafür, dass ich so schlechte Nachrichten für Sie habe. Wenn ich Ihnen das nächste Mal sage, dass alles gut wird, dann können Sie mir danken. Am besten mit einer guten Flasche Wein.“
    Er lächelte, sie ebenfalls, obwohl es gequält wirkte. Dann nickte sie und ging hinaus in den leeren Flur, bevor sie das Gebäude verließ und in den Berliner Nachmittag eintauchte, wo das Leben sprudelte und tobte, als hätte es noch nie etwas von tödlichen Krankheiten gehört.

IV
     
     
    Als Kiara nach Hause kam, hörte sie einen regen Disput aus der Küche.
    „Ich will erst hören, was Mama sagt!“, rief Lea, während es klapperte und auch ein wenig krachte. Jemand stellte Töpfe und Pfannen ineinander.
    „Das kannst du gerne machen, aber du wirst sehen, dass ich Recht habe. Es ist nur ein Viertelkuchen.“ Eine ältere Frau mit einer ruhigen Stimme antwortete.
    „Aber wenn ich die Hälfte davon esse, bleibt noch ein halber übrig. Wo soll denn da die Acht herkommen?“
    „Es ist ein Achtel vom GANZEN Kuchen, Kind!“ Jetzt klang auch die Stimme der Älteren leicht aufgebracht.
    „Ich versteh das nicht!“ Resigniert ließ sich Lea im Stuhl zurückfallen.
    Kiara lugte durch die halb geöffnete Küchentür und betrachtete die Szene. Das Kind war definitiv eine Schönheit. Lea hatte lange dunkelblonde Haare, die sich wie bei einem Engel sanft lockten. Ihre blauen Augen leuchteten hell und strahlend, obwohl in ihnen momentan zwei große Fragenzeichen standen. Ihre roten Lippen hatte die Zehnjährige zu einem Schmollmund verzogen, der sogar ihre feine Nase leicht kräuseln ließ. Ihr gegenüber am Küchentisch saß, einen Topf in der Hand und in ein Schulbuch vertieft, Leas Großmutter, Franziska Jonas. Sie trug ihr braunes Haar kurz, die Stirn, die sich über der Matheaufgabe tief furchte, bedeckte ein fransiger Pony. Als sie nachdenklich die Lippen schürzte, war die Ähnlichkeit mit der Enkelin nicht zu übersehen.
    Neben dem Mathebuch stand ein runder Kuchenteller, mehrere Stücke Kuchen lagen darauf, viele waren angebissen, abgeteilt oder in Stücke geschnitten. Offensichtlich war Mathe eine verzwickte und vor allem kalorienreiche Angelegenheit.
    „Wie wäre es denn, wenn ihr mir ein Stück vom Kuchen abgeben würdet?“, fragte Kiara, während sie die Küchentür öffnete und eintrat.
    „Mama!“, rief Lea und lief der Mutter strahlend entgegen. „Oma will mir die Matheaufgabe erklären, aber sie macht es nicht gut.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah ihre Großmutter trotzig an.
    Die Großmutter verzog gekränkt den Mund, entspannte sich aber, als sie das fröhliche Gesicht ihrer Tochter sah.
    Kiara drückte der Kleinen einen Kuss auf die Stirn. „Zufällig weiß ich, dass Oma das sehr gut
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