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Teller, Janne

Teller, Janne

Titel: Teller, Janne
Autoren: Nichts
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gut, wenn der Friedhofswärter morgen früh außer den beiden fehlenden
Grabsteinen auch noch Aschenputtel vermisste. Aber es war nichts zu machen.
Kaum hatte jemand von uns Aschenputtel zum Friedhof zurückgebracht, machte sie
kehrt und trabte wieder hinter uns her. Als wir viermal versucht hatten, sie
loszuwerden, mochten wir nicht mehr und beschlossen, dass sie uns so lange
folgen konnte, bis sie von selbst aufgab. Das tat sie allerdings nie, so dass,
als wir zum stillgelegten Sägewerk kamen, beim Hängeschloss den Code
eingestellt und die Tür geöffnet hatten, Aschenputtel als Erste
hineinschlüpfte.
     
    Ich machte
das Licht an, und die Jungen traten mit dem Sarg zwischen sich ein. In dem
grellen Neonlicht war plötzlich alles nicht mehr so unheimlich. Das ist doch
nur ein totes Kind mit ein bisschen Holz außen herum, dachte ich und sah mir
den Sarg etwas näher an. Er stand am Fuß des Bergs aus Bedeutung, weil er zu
schwer war, um ihn oben draufzustellen . Wir waren zu
müde, um uns weiter um Aschenputtel zu kümmern, und ließen deshalb Hund Hund sein, machten das Licht aus und gingen schnell durch
die Stadt zurück. Am Ende meiner Straße sagte ich tschüs und beeilte mich,
nach Hause zu kommen, und mir war etwas wohler als vorhin. Das Buch klemmte
noch im Fenster, und ich kam ins Zimmer und ins Bett, ohne jemand im Haus zu
wecken.
     
    11
     
    Nein, was
gafften die anderen, als sie den Sarg sahen und obenauf Sorensens Aschenputtel.
     
    Wir sechs
waren nach der nächtlichen Aktion in der Schule schon etwas schläfrig, aber wir
ließen die Köpfe nicht hängen. Im Gegenteil! Die Geschichte wurde flüsternd dem
Nachbarn erzählt, von dem sie zum nächsten und immer so weiter ging, bis Lehrer Eskildsen vor Wut schrie, er wolle jetzt Ruhe haben.
Da war es eine Weile still, aber binnen Kurzem setzte wieder Flüstern und
Tuscheln ein, und Lehrer Eskildsen musste erneut laut
werden.
    Es dauerte
eine Ewigkeit, bis die letzte Stunde um war und wir auf unseren jeweiligen
Wegen zum stillgelegten Sägewerk laufen konnten. Dann allerdings fanden der
Heldenmut und das, was in der Nacht auf dem Friedhof geschehen war, kein Ende
und mit den Wiederholungen wurde die Geschichte nicht unbeträchtlich düsterer
und größer und unheimlicher.
     
    In den
folgenden Tagen gab es keinen in der Stadt, der nicht über die Verwüstungen auf
dem Friedhof redete.
    Zwei
Grabsteine waren gestohlen worden, jemand war auf dem Grab des kleinen Emil
Jensen herumgetrampelt, und Sorensens Aschenputtel
war verschwunden. Das Letzte beweinte niemand, denn dieser alte Bastard, der
auf dem Friedhof herumlief und an die Grabsteine urinierte und an unvorhersehbaren
Stellen Schlimmeres hinterließ, der war ohnehin eine Schande gewesen. Uns
verdächtigte niemand.
     
    Natürlich
fragte meine Mutter mich, woher der Kies und die Erde auf dem Teppich in meinem
Zimmer stammten. Aber ich sagte einfach, ich hätte mit Sofie auf dem Feld
hinter deren Haus gespielt und beim Heimkommen vergessen, die Gummistiefel
auszuziehen. Zwar wurde ich wegen der Gummistiefel ausgeschimpft, aber das war
nichts, gemessen an dem, was passiert wäre, wenn meine Mutter herausgefunden
hätte, wo ich in Wahrheit gewesen war.
     
    Die
größten Schwierigkeiten bereitete uns Aschenputtel. Sie weigerte sich, den Sarg
des kleinen Emil länger als ein paar Minuten zu verlassen, sie muss geglaubt
haben, er beinhalte Sorensens leibliche Überreste.
Unter keinen Umständen konnten wir sie am Tag außerhalb des Sägewerks
ausführen. Wenn uns jemand mit ihr sah, war die Gefahr groß, dass der Verdacht
wegen der Angelegenheit auf dem Friedhof auf uns fiel. Sofie wohnte von uns
allen am nächsten, konnte aber nicht nach Einbruch der Dunkelheit kommen, um
Aschenputtel auszuführen. Sie durfte so spät nicht mehr draußen sein, und ihre
Eltern fanden eh, sie verbringe zu viel Zeit bei dem stillgelegten Sägewerk.
Elise brachte die Lösung. Irgendwie schien Elise ihren verstorbenen kleinen
Bruder mehr zu mögen, seit sein Sarg in unserer Obhut war. Und vielleicht
gewann sie den Hund besonders lieb, weil Aschenputtel beim Sarg wachte. Warum
auch immer, jedenfalls bot Elise an, abends zum Sägewerk zu kommen und mit
Aschenputtel spazieren zu gehen, damit der Hund an die Luft kam. Es war Mitte
September, und gegen halb neun wurde es dunkel, so dass sie es gerade schaffen
und rechtzeitig zum Zubettgehen wieder zu Hause sein konnte. Ihren Eltern wäre
es eh gleichgültig, ob sie noch spät
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