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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot
Autoren: Monika Clayton
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Menschen hatten mit ihren Nieren ja so ihre Problemchen. Im Sommer begann dann die Zeit der Kamille. Das Gute an Kamille war, dass sie sich in ihrer Donnerstagsmischung überaus gut machte. Die beruhigenden und entkrampfenden Wirkstoffe taten jedem gut.
    Einen Augenblick dachte Esther Friedrichsen darüber nach, ob sie dieses Jahr vielleicht etwas mehr von der Leichenblume pflücken sollte. Sie entschied, die Wiese morgen noch einmal aufzusuchen, wenn es ihre Beine erlaubten. Durch die Arthrose machten nämlich Esther Friedrichsens Beine gelegentlich nicht mehr das, was sie von ihnen erwartete. Das war natürlich an den Tagen besonders ärgerlich, an denen sie deswegen ihrem geregeltem Tagesablauf nur unter erschwerten Bedingungen nachgehen konnte. Manchmal waren selbst ein paar Meter eine Qual, aber seine Gebrechen konnte man sich nicht aussuchen. Ja, ja, nickte sie vor sich hin, die tapfere Martha hatte schon recht gehabt mit dem, was sie einmal gesagt hatte; man musste mit dem arbeiten, was das Leben einem auferlegte.
                 
    Wenn also nicht morgen, überlegte sich Esther, dann vielleicht übermorgen oder überübermorgen. Wobei überübermorgen wiederum ein schlechter Tag war, um hierher zu kommen. An Beichttagen war es ihrer Meinung nach nicht angebracht, die Konzentration auf etwas anderes als den Herrn zu richten.
    Wie dem auch sei! Esther blieb gelassen. Die Leichenblume würde auch noch in der nächsten Woche blühen. Deswegen durfte man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, das wäre reine Zeitverschwendung. Und dass ihr jemand zuvorkam und alles wegpflückte, erwartete sie ebenfalls nicht. Hier war so viel zu finden, damit hätte man glatt das gesamte Seniorenheim auslöschen können. Daran hatte Ester Friedrichsen freilich kein Interesse, empfand sie doch St. Benedikta samt seinen Bewohnern als überaus angenehm.
     
    Steif streckte sie ihre alten Glieder wieder in aufrechte Position und stemmte ihre Hände in die runden Hüften. Sie beugte sich einmal nach rechts und einmal nach links, um ihre Gelenke wieder zu lockern, zog ihren fliederfarbenen geblümten Rock und die dazu passende Bluse zurecht. Flieder trug sie am liebsten. Diese Farbe, meinte sie, wirke im Winter so gemütsbelebend, dass man sich an den Frühling erinnert fühlte. Im Sommer hingegen hatte diese Farbe so etwas leicht Kühlendes und Beruhigendes.
    Als alles wieder so saß, wie es sich gehörte, machte sie sich mit sorgsamen Schritten, ihren Schirm als Gehstock in der Hand haltend, querfeldein auf den Rückweg nach St. Benedikta.
     
    Idyllisch lag es da, das Altendomizil, in welchem sie ihre letzten Jahre, wie viele es auch noch sein mochten, genießen wollte. Dass sich gegenüber davon, auf der anderen Straßenseite, ein Friedhof befand, störte sie nicht. Menschen starben nun mal, und irgendwo mussten sie zur letzten Ruhe gebettet werden. Es störte sie ebenfalls nicht, dass hier auch Menschen begraben lagen, die von ihrer Teemischung getrunken hatten. Im Gegenteil, regelmäßig besuchte sie deren Gräber und wünschte den Herrschaften ihren wohlverdienten Frieden. Natürlich wünschte sie das den anderen, die hier lagen auch, aber diese besondere Beziehung hatte sie eben nur zu ihren Teetrinkern.
     
    Angekommen in ihrem Zimmer, arrangierte Esther Friedrichsen die Wiesenblumen liebevoll in einer Vase und platzierte diese auf ihrem Couchtisch. Sie rutschte die Vase hin und her, solange, bis sie meinte, dass sie adäquat stand. Danach schaltete sie ihren kleinen Backofen an und legte das sich darin befindende Backblech bedächtig mit Papier aus. Sie breitete sie die gesammelten Blüten der Leichenblume darauf aus, wobei sie größte Sorgfalt walten ließ. Alle Blütenköpfe sahen in eine Richtung. Das Baumwolltuch, das gerade noch die Leichenblumen von den Wiesenblumen getrennt hatte, legte sie faltenfrei darüber, damit sich die verdampfende Feuchtigkeit darin sammeln konnte. So angerichtet, schob sie das Blech in den Ofen zurück. Die nächsten zwei bis drei Stunden würde es nun dauern, bis sie ihr getrocknetes Bukett abfüllen konnte.
    Sie hielt sich das Glas vor ihre Augen, um besser hineinsehen zu können. Es war wirklich an der Zeit gewesen, dass sie den Donnerstagstee, der so hieß, weil sie ihn nur donnerstags ausschenkte, auffüllen konnte. Der Bedarf bestand zwar nur hin und wieder, doch die Restkrümel, würden maximal noch Bauchschmerzen einbringen, was für den Donnerstagstee keinesfalls
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