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Taumel der Gefuehle - Roman

Taumel der Gefuehle - Roman

Titel: Taumel der Gefuehle - Roman
Autoren: Jo Goodman Beate Brammertz
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Befürchtungen: Denn erst nach dem Ableben seines Vaters und Bruders würde der Titel auf ihn übergehen. Bess wusste genau, dass ihn dieses Schicksal erwartete. Den genauen Zeitpunkt konnte sie nicht angeben, doch er würde sehr bald eintreten. Davon war sie überzeugt.
    Bess rieb sich die Hände. Sie fühlten sich feucht an. Nie hatte sie darum gebeten, das zweite Gesicht zu haben. Ganz im Gegenteil, sie war stets froh darüber gewesen, diese Fähigkeit nicht zu besitzen. Sie seufzte und wandte sich wieder dem Jungen zu, denn ihre anhaltende Schweigsamkeit hatte erneut sein Misstrauen geweckt. Es war wirklich an der Zeit, ihm ihre Brüste zu zeigen.
    »Ich nehme an, dass deine Freunde dich angestachelt haben, hierher zu kommen«, sagte Bess gleichmütig.
    Der Junge zögerte, gab dann jedoch ehrlich zu: »Es sind nicht wirklich meine Freunde.«
    »Ah, ich verstehe. Dann haben dir ältere Jungen versprochen, deine Freunde zu sein, wenn du das hier erledigst.«
    »Das stimmt.«
    »Und wer sind die drei Jungs, mit denen ich dich vorhin gesehen habe? Sie scheinen in deinem Alter zu sein.«
    »Das sind meine Freunde, Madame Fortuna. Mit ihnen bin ich auf den Jahrmarkt gekommen.«
    »Und warum sind sie dann nicht hier bei dir? Dieselbe Mutprobe ist auch ihnen gestellt worden, nicht wahr?«
    »Genau dieselbe«, bestätigte er kleinlaut. »Wir hatten nicht genügend Geld. Also mussten wir Strohhalme ziehen.
Ich soll den anderen später alles über Ihre Brüste erzählen.«
    »Tatsächlich? Und wer wird den Schuften Bericht erstatten, die dich hierher geschickt haben?«
    »Das werden natürlich wir alle vier tun. Es wäre sinnlos, wenn nur einer von uns mit ihnen befreundet wäre. Deshalb muss ich ihnen später alles ganz genau beschreiben, damit es ihnen später nicht schwer fällt, die Bishops zu überzeugen, dass wir vier hier gewesen sind.«
    »Die Bishops«, murmelte Bess verärgert. Sie hatte Recht gehabt, die Kerle als Schufte zu bezeichnen. Seit mehr als einem Jahrhundert durchquerten Jungen den kopfsteingepflasterten Schulhof von Hambrick Hall auf ihrem Weg zu höherer Bildung. Unter den Absolventen der Privatschule waren Männer zu finden, die das Land dank ihrer fortschrittlichen Ideen, ihres Ehrbegriffs und ausgeprägten Pflichtbewusstseins formen würden. Ab und an kamen neue Namen hinzu, aber der weitaus grö ßere Teil blieb gleich. Väter, Großväter und Urgroßväter hatten bereits denselben Weg beschritten, hatten ihre persönlichen Erfolge und Fehlschläge mit stoischer Ruhe hingenommen, anstatt wie andere junge Männer aufbrausend zu reagieren. Mit den Bishops hatte Hambrick Hall allerdings Zöglinge vorzuweisen, deren Ehrgeiz in erster Linie darin bestand, ihre jüngeren Mitschüler zu erniedrigen.
    Doch diese Mutprobe, dachte Bess, war noch harmlos. Andererseits war sie sich sicher, dass die Bishops nicht im Traum damit rechneten, die vier Jungen könnten die Aufgabe meistern.
    Bess deutete zur Tür ihres Reisewagens. »Hol deine Freunde herein.« Bei Tagesanbruch würde sie sich bereits
auf dem Weg zu einem Jahrmarkt im Norden Londons befinden. Sie musste sich demnach keine Sorgen darüber machen, dass die Bishops sie am nächsten Tag besuchen würden, um mit eigenen Augen zu sehen, was Bess dem Quartett gezeigt hatte. »Nun mach schon, sonst überlege ich es mir noch einmal!«

Erstes Kapitel
    Auf dem Landsitz der Battenburns, 1818
     
    Das ungezähmte Lachen erregte ihre Aufmerksamkeit. Elizabeth Penrose lehnte sich so weit zur Seite, bis sie ungehindert an der Staffelei, die vor ihr stand, vorbeisehen konnte. Der Stuhl wackelte ein wenig, als sie sich bewegte, und sie bemerkte nicht, dass sich ein dicker Tropfen dunkelblauer Aquarellfarbe an der Spitze des Pinsels gesammelt hatte, der jeden Moment auf ihr lavendelfarbenes Musselinkleid zu fallen drohte.
    Dieses Lachen war ein Genuss. Es war zügellos und wild und hatte beinahe eine musikalische Note. Vier Stimmen, jede von ihnen in einer etwas anderen Tonhöhe, die zusammen ein gewisses harmonisches Ganzes ergaben. Elizabeth warf rasch einen Blick auf die anderen Gäste und stellte fest, dass nicht nur sie den Kopf in Richtung des Gelächters gewandt hatte. Dass die Männer durch ihr Verhalten auf sich aufmerksam machen wollten, glaubte Elizabeth allerdings nicht. Noch vor einer halben Stunde hatten sie sich eifrig plaudernd zwischen den Gästen des Barons bewegt, sich erst zu dem einen kleinen Grüppchen gesellt, dann zum nächsten.
    Die Gäste
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